2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview

Der "Metzger" mit der Golf-Leidenschaft

Timo Röttger will nach seinen Profi-Stationen in Paderborn, Dresden und Leipzig den FC Viktoria zum Aufstieg führen. Für die Viktoria lehnte der gebürtige Waldbröler mehre Angebote aus der Dritten Liga ab.

In welchem Jahr exakt Timo Röttger den martialischen Beinamen „der Metzger” erhalten hat, daran kann er sich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Zumindest weiß der prominente Neuzugang des FC Viktoria Köln aber sehr genau, wem er es zu verdanken hat, dass er seit geraumer Zeit mit dem Beruf des Schlachters in Verbindung gebracht wird. Röttger klärt auf: „Den habe ich damals von Maurice Gillen aufgedrückt bekommen, als wir zusammen bei Bayer 04 Leverkusen gespielt haben.” Umso größer war die Freude, als sich Röttger und Gillen unter etwas veränderten Vorzeichen vor einigen Tagen wieder begegnet sind: „Maurice ist ja unser Torwart-Trainer”, sagt der 28-Jährige und möchte eines nicht unerwähnt lassen: „Ich habe niemals den Beruf des Metzgers gelernt, geschweige denn ausgeübt.”

Warum also wird der gebürtige Waldbröler von seinen Fans „Metzger” genannt? „Ich weiß es wirklich nicht”, beteuert der Mann, der im Mai einen Zweijahresvertrag im Rechtsrheinischen unterschrieben hat und fortan den Unterschied in Viktorias Spiel ausmachen soll. Franz Wunderlich, Kölns zukünftiger „Vorstand Sport”, kennt den Mittelfeldspieler bereits aus Jugendzeiten und vermittelt einen kleinen Einblick in das Innenleben des einstigen Profis: „Er ist eine Maschine, gibt niemals auf und kann eine Mannschaft mitreißen.”

Vor allem geht Röttger dorthin, wo es besonders weh tut; und genau das taten in der abgelaufenen Saison nicht alle Fußballer bei der Viktoria in der Regionalliga West. Gleichwohl möchte der Königstransfer, der in den vergangenen drei Jahren bei Rasenballsport Leipzig spielte, betonen, dass „ich sicherlich manchmal emotional auf dem Platz auftrete, aber niemals unkontrolliert.”

Eigentlich ist es ziemlich überraschend, dass Röttger überhaupt dazu bereit ist, in der Vierten Liga mitzutun: „Ich hatte das ein oder andere Angebot aus der Dritten Liga”, gibt der leidenschaftliche Hobby-Golfer (Handicap: 27) offen zu. „Aber der Zeitpunkt für eine Rückkehr ins Rheinland war absolut notwendig. Es war eine lange Zeit, die ich von zu Hause weg war.”

Bereits als vierjähriger Junge kickte der kleine Timo für den SV Wiedenest, nach einem Intermezzo einige Kilometer weiter beim TuS Wiehl wurden die Späher von Bayer 04 auf den talentierten Jugendlichen aufmerksam. Röttger durchlief Bayers Jugendabteilung und unterschrieb 2005 zur Belohnung einen Profivertrag beim Werksklub. Unter populären Trainern wie Michael Skibbe und Klaus Augenthaler sammelte der 1,76 Meter große Fußballer zwar Erfahrung, erhielt aber zu seinem Leidwesen keine Einsatzzeit in der Bundesliga. Röttger entschied sich zu einer Veränderung, wechselte zum aktuellen Bundesliga-Aufsteiger SC Paderborn und absolvierte für die Ostwestfalen unter Jos Luhukay 41 Partien in der Zweiten Liga. „Es war eine tolle Zeit für mich, weil Luhukay ein sehr guter und disziplinierter Mann ist. Aber eigentlich waren alle meine Stationen überragend: Dresden und auch Leipzig waren auch einzigartig”, erinnert sich Viktorias Neuzugang. Auf Paderborn folgte Dresden, für ein Engagement bei Dynamo nahm Röttger gar einen Abstieg in die Dritte Liga in Kauf, verbrachte aber immerhin drei erfolgreiche Jahre in Sachsens Hauptstadt: „Die Euphorie der Fans in Dresden, das Stadion und vor allem die Stadt Dresden haben es mir wirklich angetan”, schwärmt der fest liierte Mittelfeldmotor von seiner Anstellung beim Traditionsklub von der Elbe.

Völlig aus dem Häuschen gerieten die Anhänger von Röttgers letztem Arbeitgeber, Rasenballsport Leipzig, wenn der wuselige Kämpfer den Rasen der Red-Bull-Arena betrat und sich seiner Trainingsjacke entledigte. Timo Röttger gibt sich betont zurückhaltend, wenn er über die Sympathie-Bekundungen der Fans spricht, ist aber zugleich fasziniert von der Tatsache, dass er in seiner Leipziger Zeit beinahe Heldenstatus erlangte: „Dass die Menschen so auf mich abgefahren sind, war natürlich toll. Warum das so gekommen ist, weiß ich aber nicht.” Als vor einigen Monaten publik wurde, dass der Vertrag von Röttger nicht verlängert wird, gründeten die Anhänger von Red Bull in Windeseile die Gruppe „Die Kurve ist für Röttger”, ebenso rasch hatten etwa 1000 Mitglieder in den sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, dass ihr „Kultspieler” keinesfalls abgegeben werden dürfe.

Für Viktorias Neuen sind derlei Geschichten inzwischen zwar nicht Makulatur, dafür aber jüngere Vergangenheit: „Ich wäre gerne in Leipzig geblieben. Sie haben mir aber mitgeteilt, dass sie mir keine Garantie ausstellen können und auf jüngere Spieler setzen möchten.” „Sie” sind und waren Leipzigs Trainer Alexander Zorniger und Sportdirektor Ralf Rangnick.

Nach Jahren der Odyssee durch Deutschlands Osten ist Röttger nun wieder in seine Heimat zurückgekehrt, wohnt derzeit bei seinen Eltern im Oberbergischen und befindet sich in Köln auf Wohnungssuche. Am Ende gewinnt man dann doch einen kleinen Eindruck davon, was es bedeutet, einen Fußballer seines Kalibers verpflichtet zu haben: Röttger ballt die Faust und sagt beinahe kämpferisch: „Insgesamt viermal in meiner Karriere bin ich mit Mannschaften aufgestiegen. Ich weiß also, wie so etwas funktioniert. Umsonst hierher gekommen bin ich mit Sicherheit nicht.” Nun ist es also endlich raus: Der Beiname „Metzger” macht doch irgendwie Sinn.

Aufrufe: 06.7.2014, 22:42 Uhr
Kölner Stadt-Anzeiger / Oliver LöerAutor