2024-04-29T14:34:45.518Z

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Da muss das Ding rein: Heinz Reidelshöfer im Stadion des FSV Bad Windsheim, für den er 130 Tore schoss. F: Stefan Blank
Da muss das Ding rein: Heinz Reidelshöfer im Stadion des FSV Bad Windsheim, für den er 130 Tore schoss. F: Stefan Blank

Der Mann der 1000 Tore

Heinz Reidelshöfer netzte mehr als 50 Jahre lang ein und wurde neunmal Bayerischer Meister

Zwei geballte Fäuste gehen in die Luft, ein sympa­thisches Lachen macht sich auf dem Gesicht breit – der Ball ist im Netz. Wenn die Bezirksliga-Elf des FSV Bad Windsheim am Samstagnach­mittag ein Tor erzielt, steht Heinz Reidelshöfer neben dem am Sportheim gelegenen Tor und feiert das für einen Torjäger große Glück. Heute freut sich der 77-Jähri­ge Vollblut-Torjäger für andere, mehr als 130-Mal in 120 Spielen hat er selbst das Leder alleine für den FSV Windsheim in die Maschen befördert. Reidelshöfer hat vorsichtigen Schät­zungen zufolge in über 50 Jahren deutlich mehr als 1000 Tore geschos­sen und unter anderem neun bayeri­sche Meistertitel errungen.
Heutzutage ist jeder Fußballverein froh, wenn sich ein Jugendlicher ihm anschließen will. Früher gab es nur wenige Klubs in der Region und noch weniger Jugend-Mannschaften. So begann Heinz Reidelshöfer anno 1953 als 15-Jähriger seine Karriere beim FSV Lenkersheim. In dem heutigen Bad Windsheimer Ortsteil gab es kein Jugend-Team, so durfte er bei der Reserve erste Erfahrungen sam­meln. Noch heute erinnert sich „Heinzi“ an sein erstes Spiel gegen Baudenbach. Da­mals habe er noch Schuhgröße 38 ge­habt, erzählt er. Da es keine Treter in dieser Größe gab, lief er mit 42ern auf – und wie es das Schicksal so wollte, machte er sein erstes Tor in einer Manier, die ihn später zum gefürchteten Knipser machte und noch heute gelingen wür­de: Reidelshöfer stand am richtigen Ort, als das Leder von der Querlatte über seine Stirn den Weg in die Ma­schen fand. „Die hätten mich bald er­drückt vor Freude.“

Zu gut für das Jugend-Team

Damals wohnte Reidelshöfer in Westheim. Deshalb bot es sich 1953 mit der Gründung des SSV Egenhau­sen an, in das dortige Jugend-Team zu wechseln. Dort leitete der Dorfleh­rer das Training. Unter dessen Fitti­chen entwickelte sich Reidelshöfer, sodass er als 17-Jähriger in der SSV-Ersten eingesetzt wurde. Mit den Ge­brüdern Karl und Franz Tauschek, den Bachschusters und Torhüter Heinlein besaß Egenhausen in der C-Klasse eine schlagkräftige Mann­schaft, in der Heinz Reidelshöfer sei­ne Fähigkeiten als Torjäger zeigte.

Erstmals für Aufsehen sorgte Rei­delshöfer im Oktober 1955: Beim 8:1 erledigte er den SV Ickelheim mit ei­nem halben Dutzend Toren fast im Alleingang. Am 2. September 1956 sorgte er beim 6:1 der Egenhäuser Ers­ten über Unterreichenbach für Furo­re. In den Anfangsminuten gelang ihm ein Doppelpack, später ließ der damals 18-Jährige noch einen dritten Treffer folgen.

Denkwürdig war drei Wochen spä­ter die Partie beim SV Neuses. Zur Pause lag der SSV 1:4 in Rückstand, doch dann war der wieselflinke Rei­delshöfer nicht mehr zu halten und am Ende standen ein 5:4-Erfolg und fünf Tore Reidelshöfers auf dem Spielberichtsbogen. Neuses schien ei­ner von seinen Lieblingsgegnern zu sein, beim 8:2 im nächsten Duell traf er sechs Mal.

Zu seinen schönsten Erlebnissen in Egenhausen zählte die Einweihung des Sportheims am 8. September 1957, erinnert sich der beliebte Spaßvogel Reidelshöfer. Der SV Bürglein wurde mit einer 10:1-Lektion nach Hause ge­schickt, der Stürmer glänzte als fünf­facher Torschütze. In sieben Spielen der Saison 1957/58 erzielte der junge Torjäger sagenhafte 40 Tore und führ­te seinen Verein an die Tabellenspitze der C-Klasse Ansbach.

Bei diesem Torhunger war es nur noch eine Frage der Zeit, bis größere Vereine anklopften. Im Herbst 1957 machten sich Delegierte des FSV Windsheim auf den Weg zu seiner Mutter, die mittlerweile in Winds­heim wohnte, um sie zu überzeugen, dass ihr noch minderjähriger Sohn zum FSV sollte. Heinz Reidelshöfer selbst verrichtete zeitgleich seinen Dienst bei der Be­reitschaftspolizei Nürnberg.

Sein erstes Tor nach dem Wechsel zum FSV erzielte Reidelshöfer am 5. Januar 1958 beim 4:1 der Reserve über den TSV Geor­gensgmünd per Strafstoß zum 1:1. Einstand in der Ersten feierte er am 9. März 1958 in einem Freundschafts­spiel beim TSV Neustadt, wo er beim 2:0 gleich mal einnetzte.

Schon bald wusste Spielertrainer Heinz Mehl, dass man den schnellen Torjäger – Reidelshöfer lief 11,2 Se­kunden auf 100 Meter – mit Steilvor­lagen füttern musste. „Da habe ich von fünf drei reingehauen“, sagt Rei­delshöfer und grinst dabei so ver­schmitzt, dass der Gesprächspartner ahnt, es waren wohl eher viereinhalb. Steilpass Mehl,Tor Reidelshöfer

Nach Reidelshöfers Motto „Wenn der Mehl einen Steilpass gespielt hat, habe ich ihn halt reingemacht“ durf­te er beim 3:1 über den ASV Neu­markt, drei Wochen nach seinem De­büt, in der zehnten Minute über sein erstes Tor in einem Verbandsspiel ju­beln. Auch in der Zweiten Amateurli­ga hatte Reidelshöfer keine Anpas­sungs- Schwierigkeiten. In fast jedem Spiel war das Talent für ein oder zwei Tore gut.

„Am wohlsten habe ich mich im Strafraum gefühlt“, sagt der 77-Jäh­rige, erzielt hat er seine Treffer aber aus allen möglichen Lagen. Dabei auch viele wichtige: Beim 5:4-Erfolg in seiner Premieren-Saison über den ESV Treuchtlingen oder als er beim 7:0-Kantersieg im Derby über Uffen­heim dreifach traf. Gar vier Tore wa­ren es beim 10:0 über die bedauerns­werte Elf des TSV Windsbach.

Sein schönstes Spiel war nach eige­ner Aussage das am 11. September 1960 bei der Platzeinweihung beim TSV Roth. An jenem Tag lief Reidels­höfer den Abwehrspielern immer wieder davon und steuerte vier Tore zum berauschenden 7:3 bei. Er profi­tierte auch vom Zusammenspiel mit Dieter Gehwald. Nicht selten legten sich die beiden Stürmer das Leder gegenseitig auf.

Unter der Woche verrichtete Rei­delshöfer seinen Dienst bei der Be­reitschaftspolizei in Nürnberg und später in Würzburg. Zum 1. Februar 1959 erfolgte seine Versetzung nach Schweinfurt. Das bedeutete für ihn, an jedem möglichen Wochenende nach Windsheim zu fahren, um für den FSV auflaufen zu können. Längst hatte sich sein Drang nach To­ren auch in Schweinfurt herumge­sprochen. Am erfolgreichsten warb der VfR 07 Schweinfurt um seine Dienste, sodass Reidelshöfer sein vorerst letztes Spiel für den FSV am 16. Juni 1962 gegen Gostenhof be­stritt, das mit einer 4:5-Niederlage in die Annalen ging.

Das Trikot für den VfR Schwein­furt streifte der Goalgetter zwischen 1962 und 1974 über. Dessen Team spielte 1962/63 in der Zweiten Ama­teurliga Ost in Unterfranken und schaffte dank seiner Tore den Klas­senerhalt. Durch die Einführung der eingleisigen Bezirksliga erfolgt im Frühjahr 1966 der Abstieg. Zwei Mal erhielt Reidelshöfer die Auszeich­nung als bester Torschütze der dritt­höchsten Amateurliga. Doch der Auf­stieg in die Landesliga wollte nicht glücken. Für Schweinfurt bestritt Rei­delshöfer um die 400 Spiele, in denen etwa 250 Tore auf sein Konto gingen.

Kurios: In einem Spiel hatte sich der Angreifer die Hand gebrochen, was aber erst Wochen später bei einer Untersuchung festgestellt wurde. Da­mit die Knochen zusammenwachsen konnten, musste die Hand wiederum gebrochen werden. Anstatt zu pausie­ren, spielte Reidelshöfer mit Gips­arm. In Erinne­rung blieb ihm der Auftritt in Gerolz­hofen, wo er mit Gips das Goldene Tor schoss. Im Jahr 1974 er­folgte seine Versetzung zum Landes­kriminalamt nach München. Dort schloss sich Reidelshöfer dem ESV München an, dessen Team eine gute Rolle in der Bezirksliga spielte. Am Ende der Spielzeit 1977/78 verhinder­te die Elf denkbar knapp den Ab­stieg. Dieses Abschneiden nahm der mittlerweile 40-Jährige zum Anlass, der Ersten Adieu zu sagen, um künf­tig nur noch für die Alten Herren aufzulaufen. In der Landeshaupt­stadt gibt es bei den Alten Herren Se­nioren- Ligen. Dank seiner Tore ge­wann der ESV München sechs Mal die bayerische Meisterschaft, davon drei Mal in Folge zwischen 1982 und 1984. In seiner besten Saison schoss der Goalgetter 53 Tore, wofür er den Goldenen Schuh erhielt.

Deutscher Meister im Faustball

Große Erfolge feierte Reidelshöfer auch im Faustball mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft (1988 mit Greiling und 2000 mit Donau­wörth). Dies war möglich, weil die Alt-Herren-Kicker ihre Spiele samstags bestritten, während die Faustballer sonntags auf dem Platz standen.

So war Reidelshöfer auch im ge­setzten Alter ständig auf Reisen. Nach seiner Pensionierung 1998 kehr­te der Sportbegeisterte nach Bad Windsheim zurück, um sich den Al­ten Herren des FSV anzuschließen. Auf den Fußballfeldern der Region war er immer im Sturm eingesetzt und schoss bis 2011 regelmäßig seine Tore. Von der Jugendzeit bis in den AH-Bereich war Reidelshöfer einer der effektivsten Torjäger im Land­kreis. Selbst mit über 70 Jahren machte ihm in Training und Spiel in Sachen Kaltschnäuzigkeit keiner was vor. So reckte Reidelshöfer wieder zwei geballte Fäuste in die Luft, setz­te ein sympathisches Lachen auf und jeder wusste: Der Ball ist im Netz.

Aufrufe: 01.9.2015, 06:01 Uhr
Ernst Werner Schneider / Stefan Blank (WZ))Autor