„Es ist schlimmer, seinen 75. nicht mehr feiern zu können, als ihn zu feiern“, sagt Wettberg. Der trockene, feine Humor, der den bescheidenen Mann schon immer ausgezeichnet hat, blitzt auf. Er weiß, dass er bislang ein erfülltes Leben geführt hat, und – diesen Anspruch hat er – das möchte er möglichst lange weiter tun. Deswegen wünscht sich die Löwen-Ikone zum Geburtstag für sich selbst eigentlich nur eines: „Gesundheit“, sagt er. Etwas Geld für die Spendenbox, die er aufstellen wird, ist allerdings auch recht. Was zusammenkommt, soll der „Aktion Sternstunden“ , der Orienthilfe des Kabarettisten Christian Springer, der Familie des im Mai verstorbenen österreichischen Fußballtrainers Adi Pinter und Olaf Bodden zu Gute kommen. Der ehemalige Bundesliga-Profi, der von 1994 bis 1998 für die Löwen stürmte, leidet an einem chronischen Erschöpfungssyndrom und kann sich mittlerweile nur mehr im Rollstuhl fortbewegen.
Diese Ader, trotz des eigenen Glücks auch die anderen nicht zu vergessen, zeichnet den pensionierten Postoberamtsrat und ehemaligen Gewerkschafter Wettberg aus. Bernd Meyer bestätigt das. Der Regensburger Internist und Sportarzt feiert am Donnerstag ebenfalls mit: „Karsten Wettberg ist nicht nur einfach ein netter Mensch, sondern er denkt auch an die anderen. Ich wünsche ihm viel Gesundheit!“ Meyer gehörte zur Mannschaft des SSV Jahn Regensburg, mit der Wettberg 1999/2000 den Aufstieg in die Regionalliga geschafft hatte. Der Kontakt zwischen dem ehemaligen Spieler, der mit seinem Kopfballtor zum 4:2 im zweiten Spiel gegen Sandhausen dafür sorgte, dass der Jahn in der Relegation blieb und später gegen den FSV Frankfurt den Aufstieg realisierte, riss nie ab. „Auch wenn er im Umgang gerade mit anderen Funktionären nicht immer einfach war und gewiss polarisierte. Aber er hat es geschafft, dass die Mannschaft immer hinter ihm stand. Ich fand ihn auch als Trainer gut“, sagt Meyer.
Die Gästeliste ist, wie so oft bei Wettbergs Festen, gespickt mit Prominenz: Außer Meyer haben beispielsweise Sprint-Olympiasieger Armin Hary, der ehemalige Bundesliga-Profi Manni Schwabl, Reiner Maurer sowie Löwen-Präsident Peter Cassalette und viele mehr ihr Kommen zugesagt. Seine Weggefährten werden auch einen kleinen Film zu sehen bekommen. Maßgeblich ARD-Sportkommentator Bernd Schmelzer hat die wichtigsten Stationen aus Wettbergs sportlichem Leben zusammengestellt. „Der Jahn kommt darin auch vor, aber natürlich auch alle Eskapaden“, sagt Wettberg – besonders aus seiner Zeit als Löwen-Trainer. Sei es das berühmte Interview in der Unterhose, die Szene, als Wettberg aus lauter Wut einen Schirm zerdepperte, sei es auf anderen seiner Stationen der Sprung vom Zehn-Meter-Turm.
Im Nachhinein bereut er keines dieser besonderen Vorkommnisse, auch wenn er sich dadurch selbst in Schwierigkeiten brachte – vor allem das berühmte Unterhosen-Interview nach dem Aufstieg mit den Löwen 1991 hatte ein Nachspiel. Die begeisterten Fans hatten den Platz gestürmt: „Ich hatte keine Turnschuhe mehr, keine Socken, die haben mir alles ausgezogen. Gott sei Dank blieb mir wenigstens die Unterhose“, erinnert sich Wettberg. „Dann hat es den Journalisten pressiert mit dem Interview. So ist es halt in der Unterhose zustande gekommen. Und das war dann schon schwierig mit der Frau Knecht“, sagt Wettberg. Lilo Knecht, die damalige Löwen-Präsidentin, rief bei Wettbergs Gattin Gisela an und beschwerte sich bitterlich. „Sie sagte zu meiner Frau: ,Ich bin schockiert, dass Ihr Mann so ein schlechtes Benehmen hat.‘“
Das Verhältnis verbessert sich auch nicht, zumal Wettberg ein „schwerer taktischer Fehler“, wie er es heute lachend nennt, unterlief. Beim ersten Training nach dem Löwen-Aufstieg kamen 2000 Zuschauer, seine Präsidentin führte allerdings gerade ein Fernsehinterview auf einer roten Couch, die mitten auf dem Spielfeld stand. „Weil sich die Zuschauer schon aufgeregt haben, bin ich zur Frau Knecht hin und sagte: ,Bitte, Frau Knecht, wir müssen jetzt trainieren, bitte verlassen sie den Platz.‘“ Im diplomatischen Korps wäre Wettberg jedenfalls Zeit seines Lebens nie gut aufgehoben gewesen. Dafür ist er zu impulsiv, obwohl er nun von sich selber sagt, ruhiger geworden zu sein – eine schwere Bandscheiben-OP vor fünf Jahren „lehrte mich Gelassenheit und Demut“. Trotz allem: Karsten Wettberg steht zu seinen Entscheidungen. Eine Sache würde er im Rückblick allerdings anders machen. Der Trainer aus Leidenschaft hatte 2007 seine Hut im Kampf um das Präsidentenamt beim TSV 1860 München in den Ring geworfen, seine Kandidatur scheiterte vorzeitig, Wettberg wurde Vize-Präsident. „Wenn ich gewusst hätte, was es für einen Kampf zwischen den Fan-Vereinigungen gibt, dann hätte ich es nicht gemacht. Es war eine wilde Zeit, nervenaufreibend.“
Und eine Sache gibt es, die ihn zwickt. Zeit für seine Familie bleibt bei einem fast 50-jährigen Trainerdasein kaum. „Wenn ich ein schlechtes Gewissen hatte, habe ich meinen Sohn ins Auto gepackt und bin mit ihm zu Spielbeobachtungen gefahren. Pädagogisch wertvoll war das aber bestimmt nicht“, erzählt Wettberg. Er erinnert sich an eine Begebenheit in Mannheim. „Da war mein Sohn vielleicht acht Jahre alt und wollte eh’ schon nicht mit. Dann hat er sich in Mannheim die ganze Zeit aus Protest verkehrt herum auf die Bank gesetzt und in die andere Richtung geschaut.“ Heute ist Karsten Wettberg dankbar, dass er trotzdem ein gutes Verhältnis zu seinem Filius hat. Und wie sieht es mit künftigen Aufgaben aus? „Ich habe einige Anfragen. Wenn es ein ambitionierter Verein ist, mindestens Bezirksliga-Spitze, dann würde ich das schon nochmal machen“, sagt Wettberg, der Trainer aus Leidenschaft und mit Herz.