2024-05-10T08:19:16.237Z

Spiel der Woche
Taner Koc hat mit Dergah einen Traumstart hingelegt. F: Zink
Taner Koc hat mit Dergah einen Traumstart hingelegt. F: Zink

Der Fels im Wind trägt signal-orange

Neu-Trainer Taner Koc hat seinen Anteil daran, dass bislang Dergahspor das Überraschungsteam der Landesliga Nordost-Saison stellt

Optimaler Start für die Landesliga-Kicker von Dergahspor. Obwohl Neu-Trainer Taner Koc vor der Saison vom Ziel Klassenerhalt gesprochen hat, ist er mit seiner neuformierten Mannschaft nach zwei Siegen in der Tabelle ganz oben dabei. Nach dem 4:1-Auftakt gegen Selbitz gab es auch beim 3:1-Erfolg gegen Titelkandidat Neudrossenfeld eine Ahnung davon zu sehen, warum das so ist.

Dergahspor Nürnberg - TSV Neudrossenfeld 3:1 (2:1)

Als eine halbe Stunde rum ist, steht Taner Koc auf, faltet seinen Klappstuhl zusammen und legt ihn hinter die Auswechselbank. Eben muss er eine Drangphase des Gastes mitansehen, jetzt greift er zu einem wichtigen Stilmittel seiner Trainer-Interpretation: Präsenz. Sein Team spielt gegen den Gegner Neudrossenfeld an, gegen eigene Unkonzentriertheiten – vor allem aber gegen Sturmtief "Zeljko", das immer wieder starke Böen und Wolkenschatten über das Zeppelinfeld schickt und die hohen Laubbäume am Westrand wie den Ozean rauschen lässt. Manchmal peitscht der Sand der Laufbahn in die Auswechselbänke, dann vergraben Betreuer und Ersatzspieler die Köpfe unter allem, was sie haben.

Koc gibt jetzt den Fels im Wind: Er will, dass seine Spieler überlegter agieren, den Kopf heben, die klaren Bälle spielen, die aber schnell, direkt, ohne dem Gegner eine Pause zu gönnen. Wenn der Gegner das Spielgerät hat, fordert er Druck auf den Ballführenden. Und Koc ruft immer wieder zur Ordnung: Wenn sie nach einem Angriff nur halbherzig zurücktraben, wenn sie mit dem Gegenspieler diskutieren, wenn sie sich bei eigenem Abstoß nicht anspielbar machen, wenn sie 40 Meter vor dem Tor eine Freistoßmauer stellen. Mit Händen, Füßen und Stimme macht er ihnen klar, was er erwartet. Und wenn sie ihn wahrnehmen, in seinem signal-orangenen T-Shirt, dann machen sie die nötigen Meter, hören auf mit Trash-Talk, lösen die Mauer auf. "Wenn man diese Qualität auf dem Platz nicht hat, dann muss man von der Seitenlinie führen", wird er nach dem Spiel sagen, und: "Ich habe mit die jüngste Mannschaft in dieser Liga." Was im Endeffekt das gleiche bedeutet.

Dass das mit dem Führen auch von der Seitenlinie geht, zeigt dieser stürmische Samstag, gegen "einen ausgebufften Gegner", wie Koc den Bayernliga-Absteiger TSV Neudrossenfeld betitelt: Beide suchen ihr Heil in der Offensive. Der Gast hat mehr Halbchancen, Dergah schafft nach 36 Minuten Zählbares: Nach einem Antritt des starken Burhan Karasu markiert Angreifer Süleyman Yilmaz aus acht Metern die Führung. Keine drei Minuten später aber der Ausgleich – eine Verkettung von Fehlern, die den Coach beschwörend die Hände heben lässt. Doch das war's noch nicht in diesem furiosen Halbzeit-Endspurt: Weil Neudrossenfeld bei einem schnell ausgeführten Freistoß schläft – das rasche Wiederaufnehem des Spiels ist ein Element in Koc' Spielphilosophie - und Keeper Grüner Karasu von den Beinen holt, gibt es in Minute 43 einen Strafstoß für die Heimelf, den Bilici mit etwas Glück verwandelt.

Dass sie in Halbzeit zwei gegen aufrückende Gegner zwei, drei feine Konter-Kombinationen nach seinem Geschmack hinlegen, lässt den Coach auch Mal zustimmend klatschen. Das Erstaunliche an diesem Tag ist die Tatsache, dass Dergah den Gegner in den zweiten 45 Minuten so gar nicht zur Entfaltung kommen lässt – auch das ist Qualität. Die Neudrossenfelder verzweifeln an einer stabilen Defensive und dem Gegenwind, der ihr Mittel der Wahl, den langen Ball, ad absurdum führt. Dergah versucht sich selbst immer wieder an Tempogegenstößen. Zwei Minuten vor Schluss ist es so weit: Karasu mit feiner Flanke auf Caglar, der sich energisch behauptet und auf Vidal-Camejo ablegt. Der Angreifer drückt den Ball über die Linie. 3:1, ein verdienter Sieg gegen Neudrossenfeld – etwas, was es nach teils herben Pleiten in den Spielzeiten zuvor so auch noch nicht gab für Dergahspor.

Ob er zufrieden sei mit dem Auftritt – ganz abgesehen von dem Ergebnis, das ihm nun diesen Traum-Start beschert hat? "So halb-halb", sagt Koc, "ich will eigentlich einen noch schöneren Fußball spielen." So richtig überrascht von den Ergebnissen gegen diese beiden Titelfavoriten ist er aber nicht: "Ich weiß ja, was ich trainiere. Die Jungs glauben an sich, entscheidend ist, was sie auf dem Platz davon umsetzen." Auch das passt zum Eindruck eines ehrgeizigen und selbstbewussten Übungsleiters. Dass die halbe Zufriedenheit die halbe Unzufriedenheit dann doch überlagert, zeigt sich darin, wie Taner Koc sie nach dem Schlusspfiff alle herzt, Spieler, Betreuer, den Präsidenten. "Ich bin stolz auf die Jungs", sagt er noch. Aber das geht in den Sturmböen fast unter.

Schiedsrichter: Jonas Kohn (Germ. Amberg) - Zuschauer: 100
Tore: 1:0 Süleyman Yilmaz (36.), 1:1 Sascha Engelhardt (39.), 2:1 Ayhan Bilici (43. Foulelfmeter), 3:1 Richard Vidal-Camejo (87.)

Aufrufe: 027.7.2015, 19:03 Uhr
Jan MauerAutor