2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines

Der Bürgermeister von Wesel

Uwe Bresch, 58, ist Schiedsrichter und pfeift für Viktoria Wesel in der Kreisliga. Wir haben ihn gebeten, seine Erfahrungen weiterzugeben.

Ich bin leidenschaftlicher Schiedsrichter. Das geht bei mir auch nicht mehr weg. Es kommt bei Trainern und Spielern vor, dass sie ihrem privaten Frust freien Lauf lassen und der Schiedsrichter als Opfer herhalten muss. Fußball soll aber doch Spaß machen, das ist ein Hobby. Wenn man Stress zu Hause hat oder auf der Arbeit, sollte man den dort lassen. Ich bin früher selbst Trainer gewesen. Von daher weiß ich, wie es während eines Spiels in einem Trainer aussieht.

Ich habe mich damals auch viel aufgeregt von draußen. Als Schiedsrichter habe ich schnell gelernt, dass es schwierig ist, das umzusetzen, was die Trainer von draußen reinrufen. Die Spieler versuchen mit ihren Schwalben immer den Schiedsrichter reinzulegen. Entweder klappt es oder es klappt nicht. Manchmal machen sie es so, dass wir es nicht sehen können. Wir sind ja auch nur Menschen. Die Spieler in der Kreisliga C sind heute aggressiver als zu der Zeit, als ich angefangen habe zu pfeifen. In der Kreisliga muss man wirklich aufpassen. Als Schiedsrichter musst du schauen, dass du das Spiel in den ersten zehn Minuten in den Griff kriegst. Sonst machen die Spieler hinterher, was sie wollen.

Meine Empfehlung: gleich mal Respekt verschaffen, klar machen, dass mit einem nicht zu spaßen ist und auch ruhig mal Kleinigkeiten abpfeifen. Schubsen, Treten, mit dem Ellenbogen schlagen – wird sofort abgepfiffen. Es ist wichtig, die Grenzen aufzuzeigen. Wenn man das nicht macht, wird es kriminell. Es ist auch ein großer Unterschied, wo das Spiel ausgetragen wird. Auf Rasen sind die Spielsituationen ganz anders als auf Asche. Die Spieler gehen viel energischer zur Sache. Wenn der Ascheplatz zu trocken ist oder zu nass, haben sie Angst, dass sie ausrutschen und sich die Beine aufschürfen. Da sind sie vorsichtiger als auf Rasen. Kunstrasen ist heutzutage die einzige Ausweichmöglichkeit, wenn es regnet.

Gegen die Sprüche von draußen bin ich schon immun. Die gehen auf der einen Seite rein und auf der anderen wieder raus. „Der hat doch schon ne Brille auf.“ Oder: „Der soll sich mal mehr bewegen.“ Die Spieler früher waren ganz andere Typen, es war persönlicher. Man konnte auch mal zusammensitzen und sich direkt unterhalten. Und entsprechend hat man auch auf dem Platz ganz anders miteinander geredet. Heute sind ja alle nur noch am Telefonieren. Früher hatten die Spieler mehr Leidenschaft.

Jede Mannschaft am Niederrhein hat mindestens einen kräftigeren Spieler. Die haben meistens meine Statur, manchmal noch ein bisschen korpulenter, aber auch die muss man respektieren. Die können auch Fußball spielen, das habe ich schon erlebt. Die gehen dann durch wie eine Dampfwalze. Manchmal, wenn so eine Dampfwalze eingewechselt wird, habe ich gleich das Gefühl: Der macht das Tor! Die etwas stabileren Spieler können vorne nützlich sein, aber auch in der Abwehr. An denen musst du erstmal vorbeikommen. Wenn so einer auf dich zugelaufen kommt, hast du auf jeden Fall Respekt.

Auch wenn das Trikot nicht passt und der Bauch raus guckt, sollen die ruhig Fußball spielen – ich habe da keine Probleme mit. Wenn ich tatsächlich mal aufhören sollte, wird mir das sehr schwer fallen. Ein offizielles Abschiedsspiel brauche ich nicht. Da setze ich mich lieber an den Spielfeldrand und schaue mir ein anderes Spiel an. Ich habe als Schiedsrichter keine Träume mehr und auch keine Wünsche. Ich bin wunschlos glücklich. Ich bin seit über 30 Jahren glücklich verheiratet, habe drei Kinder – was will ich noch mehr? Schiedsrichter – das ist mein Hobby, das lasse ich mir auch nicht nehmen.

Als ich als Trainer angefangen habe, habe ich meiner Frau gesagt, dass ich jetzt am Wochenende öfter mal unterwegs bin. Und als ich als Schiedsrichter begonnen habe, habe ich sie gefragt: „Du weißt, dass ich jetzt an jedem Wochenende weg bin?“ Da sagte sie: „Das ist Deine Sache, das musst Du selber wissen.“ Jetzt wartet meine Frau immer auf mich, wenn ich nach Hause komme. Wenn ich zu Hause durch die Tür komme, stelle ich meine Tasche in die Ecke. Dann gilt für mich: abschalten, in den Sessel setzen und eine schöne kalte Flasche Malzbier trinken. Wenn ich zu Hause bin, ist Fußball vorbei.

Aufrufe: 020.10.2016, 14:02 Uhr
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