2024-05-10T08:19:16.237Z

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Den Terror beim Kicken im Hinterkopf

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Die Oberliga-Fußballer des Buxtehuder SV schlagen ihr Wintertrainingslager erneut in der Türkei auf. Dabei meiden viele deutsche Fußballmannschaften das Land aufgrund der politischen Situation. Warum gastiert der BSV dennoch an die türkische Riviera?
Die Vergangenheit lässt sich leicht verklären. So wie vor einem Jahr, als der BSV aus dem Trainingslager in Side zurückgekehrt war und sich in der Oberliga eindrucksvoll gegen den drohenden Abstieg gewehrt hatte. Die Buxtehuder Fußballer, hieß es im Nachhinein, beschworen den Geist von Side. Es lief plötzlich auf dem Platz, das verbesserte Wir-Gefühl sei dafür ausschlaggebend gewesen.

In diesem Jahr hofft die Mannschaft auf den gleichen Effekt, genauer gesagt, auf den Geist von Alanya. Am Sonnabend hebt der BSV-Tross ab und bleibt für eine Woche an der Mittelmeerküste. Eine Woche, die dem Oberliga-Schlusslicht Auftrieb für die verbleibenden 16 Spiele geben soll. Der BSV hat inzwischen schon neun Punkte Rückstand auf das rettende Ufer.

Die Rahmenbedingungen scheinen jedenfalls ideal zu sein, um sich auf den Kampf um den Klassenerhalt vorzubereiten: Fünf-Sterne-Hotel, traumhafter Strand, mehrere gepflegte Rasenplätze inklusive Busshuttle und Equipment für das Training. Dazu: Sonne, 15 Grad. "Es ist ein Traum", sagt Trainer René Klawon. Einzig die Bälle verstauen die Buxtehuder in den eigenen Koffern - man weiß ja nie.

Die Türkei war bislang der wichtigste Ort für die Wintertrainingslager der deutschen Profimannschaften. Und nicht nur das: Das Örtchen Belek etwa war Treffpunkt für Testspiele und Spieler-Verhandlungen. Jährlich kamen 700 Teams dorthin. Allein im vergangenen Jahr reisten noch 16 Teams der ersten und zweiten Bundesliga nach Belek. Diesmal sind es: null.

Vor einem halben Jahr hatte sich in der Türkei ein Putschversuch ereignet, der anschließend verhängte Ausnahmezustand gilt bis heute, und auf dem Istanbuler Flughafen starben 48 Menschen bei einem Selbstmordattentat. Das Auswärtige Amt warnt vor "politischen Spannungen sowie gewaltsamen Auseinandersetzungen und terroristischen Anschlägen" - und das landesweit. Die Situation ist für viele Fußballteams zu instabil.

Auch die Buxtehuder Fußballer sind sich der Lage bewusst. "Wir haben uns schon Gedanken gemacht, wo wir das Trainingslager abhalten sollten", sagt Klawon. Er holte Angebote für Spanien, Kroatien und Griechenland ein. Doch letztlich hat die Türkei die anderen Destinationen in puncto Preis-Leistungsverhältnis ausgestochen. "Es kann überall was passieren", sagt Klawon in Hinblick auf die Risiken. An den touristischen Zielen entlang der Mittelmeerküste hat es dem Auswärtigen Amt zufolge bislang keine "sicherheitsrelevanten Ereignisse" gegeben. Und trotzdem: Das mulmige Gefühl bleibt.

Der Regionalligist SV Drochtersen/Assel schlug sein Wintertrainingslager in diesem Jahr bereits für fünf Tage auf der spanischen Ferieninsel Mallorca auf. So wie viele andere Vereine im Profi- und Amateurfußball. Das Wetter, sagt D/A-Trainer Enrico Maaßen, hätte besser sein können. Viel Wind, viel Regen, aber angenehme 10 bis 14 Grad. "Wir hatten schon von vornherein den Plan, nach Mallorca zu fliegen. Die Türkei wäre für uns nicht infrage gekommen", sagt Maaßen.

Wie viele Vereine die Türkei in diesem Jahr meiden, ist schwer festzustellen. Der ehemalige Nationalspieler Dieter Burdenski, der mittlerweile Reisen in die ganze Welt veranstaltet und vermittelt, sagt, dass in diesem Winter gerade für deutsche Teams eine Buchung zu heikel sei, "auch wenn die Preise sich jetzt verändern". Fraglich ist auch, wie viele Hoteliers die Krise überstehen. Schon jetzt seien einige Anlagen, in denen Fußballvereine noch im vergangenen Jahre ihre Wintertrainingslager abgehalten haben, geschlossen worden.
Aufrufe: 027.1.2017, 17:08 Uhr
Tageblatt / Tim ScholzAutor