2025-12-03T05:51:34.672Z

Interview

Das war meine schwierigste Saison als Görlitzer Trainer

Fred Wonneberger erklärt, warum es diesmal nur Platz zehn wurde und wie es für den NFV Gelb-Weiß weitergehen soll.

Man sieht Fred Wonneberger förmlich an, wie es in seinem Kopf arbeitet. Der 50-Jährige hat in den vergangenen acht Jahren immer wieder sportliche Lösungen gefunden, mit dem NFV guten Landesliga-Fußball zu spielen. Foto: H.-E. Friedrich

So eine Ahnung hatte Fred Wonneberger, seit über acht Jahren Trainer des Fußball-Landesligisten NFV Gelb-Weiß Görlitz, schon vor der Saison. Er, der in den Jahren zuvor immer die Endplatzierung seines Teams richtig vorausgesagt hatte – auch die Spitzenplätze auf dem Podest oder in dessen Nähe – zögerte vor zehn Monaten mit seiner Antwort auf die alljährliche Frage. Schließlich gab er Platz fünf bis zehn zu Protokoll. Und das nach Platz fünf in der Saison 2014/15, zwei Aufsteigern in die nächsthöhere Liga und keinem starken Absteiger aus ihr. Logisch wäre also Platz drei gewesen. Am Ende wurde es tatsächlich nur der zehnte Platz – mit einer Negativbilanz (elf Siege, sechs Unentschieden und 13 Niederlagen), 39 Punkten (nach 50 eine Saison zuvor) und 46:44 Toren. Im SZ-Gespräch erklärt Wonneberger, woran das lag und wie es sportlich in der Landesliga weitergehen soll.

Herr Wonneberger, war ihre achte Saison als Görlitzer Landesligatrainer zugleich Ihre schwierigste?

In meinem ersten Jahr waren wir sicherlich sportlich noch nicht auf so hohem Landesliga-Niveau. Da war es auch schwer. Aber was wir diesmal mit den Umständen zu kämpfen hatten, macht die abgelaufene Saison tatsächlich für mich zur schwierigsten meiner Trainerlaufbahn in Görlitz. Das es schwer werden würde, war schon vor der Saison abzusehen, dass es so hart kommen würde, konnte damals keiner ahnen.

Sie meinen sicherlich die Unklarheit darüber, ob es überhaupt weitergeht. Hat das auf die Mannschaft abgefärbt?

Wir hatten diese Frage ja zweimal, einmal in der Winterpause und dann einen großen Teil der Rückrunde über. Wir haben natürlich versucht, das von den Spielern fernzuhalten, uns aufs Sportliche zu konzentrieren. Aber das funktioniert auf Dauer nicht. So etwas beschäftigt jeden Spieler, insbesondere den Kern der Mannschaft – die acht bis zehn Spieler, die schon länger beim NFV spielen und sich mit dem Verein identifizieren.

Die große Fluktuation um diesen Kern herum hat es sicher auch nicht einfacher gemacht. Dazu kam die Aufregung um das Aufenthaltsrecht der ukrainischen und brasilianischen Spieler.

Das ist richtig. Ein, zwei Spieler in einer Halbserie zu tauschen, mag ja noch gehen. Bei uns waren es aber immer wieder sechs bis acht. Natürlich spielten dabei auch unsere Probleme im Umfeld eine Rolle. Die Fluktuation ist aber auch eine Folge davon, dass wir den Spielern sagen, dass unser Verein für sie ein Sprungbrett in den Profifußball sein könnte. Die richtig guten sind dann natürlich nicht zu halten, andere merken relativ schnell, dass es für deutschen Profifußball doch nicht reicht. Dann sind sie auch schnell wieder weg.

Sorgen das Fehlen von Identifikationsfiguren und die ständig neuen Namen auch dafür, dass die Zuschauer weniger zahlreich kommen?

Das sehe ich nicht so. Erstens haben wir Identifikationsfiguren, wenn ich zum Beispiel an Jonathan Schneider, Miroslav Sentivan, Khaddy Kazadi oder auch Torsten Marx denke. Und zweitens stehen wir mit dieser Entwicklung nicht allein da, sogar unabhängig von der sportlichen Leistung. Man muss nur mal nach Bischofswerda schauen. Die steigen in die Oberliga auf, spielen eine Supersaison, werden am Ende Dritter – und zum letzten Heimspiel erscheinen 95 Zuschauer. Ich denke vielmehr, dass es daran liegt, dass die Leute entweder nur noch die kleinen Derbys sehen wollen, egal auf welchem Niveau. Oder den ganz großen Fußball – im Stadion, im Fernsehen oder per Livestream im Internet. Wir liegen mit der Landesliga genau dazwischen. Junge Leute bekommt man schwer als Zuschauer. Unser Görlitzer Stammpublikum ist auch eher älter.

Apropos junge Leute. Wie sieht es mit Ihrem Vorhaben aus, Talente an die Landesliga heranzuführen?

Das erweist sich als immer schwieriger. Es gibt positive Beispiele wie Richard Hildebrand oder zuletzt Marcel Winter. Voraussetzung ist, dass diese jungen Leute leistungsorientiert trainieren und spielen wollen, auch Geduld mitbringen, wenn sie nicht gleich einen Stammplatz bekommen. Das findet man heute aber immer seltener. Talente aus unserem Görlitzer Umfeld, die das auf sich nehmen wollen, sind nicht zu sehen – mit Ausnahme derer, die schon bei uns spielen.

Kommt in der neuen Saison Zuwachs aus der A-Junioren-Spielgemeinschaft mit Niesky, die ja immerhin die Landesklasse gewonnen hat?

Eher nicht, zumindest nicht so schnell. Erstens, weil ja Niesky selbst in die Landesliga aufgestiegen ist, vor allem aber, weil der Sprung von der Landesklasse A-Junioren zur Landesliga Männer einfach riesig ist. Tempo, Zweikampfführung – das hat alles ein ganz anderes Niveau. Bis auf ein paar Supertalente müssen sich alle daran gewöhnen. Deshalb behalten wir ja auch unsere Reserve im Kreisoberliga-Spielbetrieb. Als Ausbildungsmannschaft, der Ergebnisse nicht im Vordergrund stehen. Ein paar Mal schon, um auch die Klasse zu halten.

Sind Sie unter diesen Randbedingungen mit Platz zehn zufrieden?

Zufrieden wäre das falsche Wort. Es hätte allerdings noch schlimmer kommen können. Wir haben nie etwas mit dem Abstieg zu tun gehabt. Aber drei vier Plätze mehr waren schon drin. Abgesehen vom letzten Heimspiel gegen Riesa (1:5) waren wir zu Hause gut, aber auswärts hat uns oft das letzte Quäntchen, die letzte Durchschlagskraft gefehlt.Und auch unsere Abhängigkeit von Torsten Marx, der in den beiden letzten Serien in 59 Spielen 49 Tore erzielt hat, war zu groß. Wir müssen das auf mehrere Schultern verteilen, wobei ich mich gefreut habe, dass Sturmpartner Jonathan Schneider in der zweiten Halbserie durchspielen konnte.

Wie geht es weiter?

Nachdem klar war, dass wir wieder Landesliga spielen, haben wir mit allen Spielern gesprochen. Ergebnis: Der Kern würde gern bleiben. Allerdings müssen wir noch einige Voraussetzungen schaffen. Außerdem schauen wir uns immer in einem Umkreis von 100 Kilometern um – gemeint sind alle Himmelsrichtungen. So wie es nahezu alle Mannschaften in unserem Leistungsbereich machen. Es zeichnet sich zum Beispiel ab, das junge Dresdner Spieler zu uns stoßen wollen. Am 12. Juli ist Trainingsbeginn. Dann werden wir etwas mehr wissen.

Aufrufe: 021.6.2016, 11:40 Uhr
Frank ThümmlerAutor