2024-04-29T14:34:45.518Z

Pokal
Foto: florian wolf
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VR Bank Bodensee-Oberschwaben

Das Spiel des Lebens

Oberligist FV Ravensburg möchte heute im DFB-Pokal Bundesligist FC Augsburg ärgern

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Ravensburg - Verkehrte Welt für den FC Augsburg. Der Fußball-Bundesligist pflegt auch im vierten Jahr der Bundesliga-Zugehörigkeit nur zu gerne das Image des Außenseiters. Heute (20.45 Uhr/Sky) in Pfullendorf allerdings kann sich der neue Trainer Dirk Schuster diese Sprüche sparen: Die bayerischen Schwaben treten in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals beim oberschwäbischen Traditions-club FV Ravensburg an - und der spielt bekanntlich vier Klassen tiefer in der Oberliga.

Entsprechend groß ist die Vorfreude beim Trainer des Gastgebers, der sein eigenes Stadion im Wiesental verlassen muss, weil es den Sicherheitsstandards nicht genügt. Für Wolfram Eitel ist die Partie das größte Spiel in der Vereinsgeschichte, für den FV ist es der erste Auftritt im DFB-Pokal überhaupt. "Es ist das Spiel des Lebens, nicht nur für die Spieler, sondern auch für mich als Trainer", sagt Eitel. "Es gab bisher nichts Größeres, auch, was die öffentliche Wirkung betrifft." Die Begegnung sei eine tolle Plattform, "aber wir sind auch Sportler, wir wollen das Spiel nicht nur genießen, sondern unsere bestmögliche Leistung abrufen."

Humor hatten die Oberschwaben ohnehin bewiesen - und dem Gegner via Facebook ein freches Video geschickt. In Anlehnung an Augsburgs Europa-League-Kampagne der Vorsaison "In Europa kennt uns keine Sau" sagen dort mehrere Ravensburger Spieler: "In Deutschland kennt uns keine Sau. Aber Ihr werdet uns bald kennenlernen. Wir sind bereit." Es gebe immer die Hoffnung, dass David gegen Goliath gewinnt.

In den vergangenen zwei Spielzeiten haben sie bereits zwei dieser David-gegen-Goliath-Spiele mit 1:0 gewonnen, allerdings im WFV-Pokal und gegen etwas kleinere Goliaths, die Drittligisten VfR Aalen und Stuttgarter Kickers. Daran erinnert Eitel seine Spieler. "Wir haben diese Profi-mannschaften nicht mit Glück, sondern verdient geschlagen", sagt der Coach. Diese Erfahrung könne man mitnehmen, "wir wissen, dass wir an solchen Abenden besondere Leistungen abgerufen haben und immer für eine Überraschung gut sind". Ein weiterer Vorteil sei, dass man bereits im Rhythmus sei: Der FV Ravensburg hat im Gegensatz zum FC Augsburg schon drei Ligaspiele absolviert - und zwar mit Erfolg. Ravensburg ist nach zwei Siegen und einem Unentschieden aktuell Tabellenführer der Oberliga Baden-Württemberg.

"Augsburg wird versuchen, mit seiner Wucht und seinem Umschaltspiel das Spiel so schnell wie möglich zu entscheiden", glaubt Eitel. Exakt darauf will er sein Team einstellen. "Für uns gilt es dagegenzuhalten. Dass Augsburg auf allen Positionen besser besetzt ist, steht außer Frage." Wenn man eine Chance haben will, dann nur als Mannschaft, "wenn wir uns bedingungslos helfen". Und dann sagt er, was man als Amateurtrainer eben sagt, bevor es im Pokal gegen den übermächtigen Bundesligisten geht: "Die spielen auch nur mit elf Mann." Und weiter: "Wir sind Fußballer, wir sind ehrgeizig, wir wollen toller Gastgeber sein, aber wir wollen auch, dass Augsburg sich lange an uns erinnert, auch wegen der sportlichen Leistung."

Schuster: "Innere Unruhe ist da"

Genau dies will sein Kollege Dirk Schuster verhindern. Die Reise nach Pfullendorf möchte der soeben zum "Trainer des Jahres" gekürte Coach möglichst schnell und unfallfrei hinter sich bringen. "Man will die Premiere so gut wie möglich hinkriegen", sagt der 48-Jährige. "Eine gewisse innere Unruhe ist da." Natürlich warnt er pflichtschuldig vor dem unterklassigen Gegner: "Wir werden auf eine Mannschaft treffen, die Männerfußball spielt." Der vor dem Saisonstart im Amt bestätigte Kapitän Paul Verhaegh (Sprunggelenk) und Neuzugang Gojko Kacar (Rückenprobleme) vom Hamburger SV fallen aus. "Wir werden dennoch einen Kader auf den Rasen schicken, der das Spiel gewinnen kann und gewinnen muss. Das ist die einzige Zielstellung, die wir haben", sagt Schuster.

Der Neue mahnt erneut eine personelle Verstärkung im Abwehrzentrum an. "Wir haben mit Hong und Klavan zwei Qualitätsspieler verloren", erklärt er. Es wäre "fahrlässig", als Verein nicht tätig zu werden.

Der gebürtige Chemnitzer, der vergangene Saison den finanziell bescheiden ausgestatteten Erstliga-Aufsteiger Darmstadt 98 sensationell zum Klassenerhalt geführt hatte, muss beweisen, dass dies kein Zufallstreffer war. In Augsburg tritt er zudem in die in den letzten vier Jahren immer tiefer gewordenen Fußstapfen von Markus Weinzierl. Ein schwieriges Unterfangen mit einem Kader, der sich stark verändert hat. Mit Außenangreifer und FCA-Rekordtorschütze Tobias Werner, der zum VfB Stuttgart wechselte, verließen die starken Innenverteidiger Ragnar Klavan (Liverpool) und Jeong-Ho Hong (Suning/China) den Verein. Ob die Neuen, unter anderem der bereits beim FC Bayern und in Hoffenheim gescheiterte japanische Linksaußen Takashi Usami und Innenverteidiger Marvin Friedrich (aus Schalke geholt), gleichwertig sind, wird sich weisen. Schuster jedenfalls weiß, dass er sich keinen Fauxpas gegen den Fünftligisten erlauben kann.

Doch in Sachen Personal hat auch Ravensburgs Eitel Sorgen. Für Haris Mesic, der in der Oberliga zuletzt das FV-Tor hütete, steht heute Kevin Kraus zwischen den Pfosten, der im Pokal das Vertrauen des Trainers hat. In Emil Noll (Syndesmosebandriss), dem Neuzugang vom FC Homburg, und Sebastian Mähr (Bänderriss) fehlen die beiden etatmäßigen Innenverteidiger. "Wir wollten den Schwerpunkt in der Vorbereitung auf die Defensivarbeit legen", sagt er, "dass jetzt die zwei eingeplanten Innenverteidiger ausfallen, ist für uns eine Katastrophe."

Katastrophenstimmung vor dem Spiel des Lebens? Von wegen! Die Chancen für sein Team seien zwar gering, "aber an bestimmten Tagen, wenn der Fußball-Gott den FV-Schal um den Hals trägt, gibt es vielleicht die Möglichkeit, das Spiel lange offenzuhalten. Was am Freitagabend unter Flutlicht passiert, das ist immer noch offen."

Voraussichtliche Aufstellungen: Ravensburg: Kraus - Henning, Altmann, Jeggle, Fiesel - Hörtkorn - Zimmermann, Reiner, Wiest, Boneberger - Wohlfarth. - Augsburg: Hitz - Teigl, Gouweleeuw, Janker, Stafylidis - Kohr, Baier - Bobadilla, Koo, Caiuby - Finnbogason.

Aufrufe: 019.8.2016, 14:34 Uhr
Alexander Tutschner und Jochen SchlosserAutor