2024-04-19T07:32:36.736Z

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So sieht Freude in der Bananenflankenliga aus - inzwischen nicht nur in Regensburg, sondern in ganz Deutschland. Foto: Brüssel
So sieht Freude in der Bananenflankenliga aus - inzwischen nicht nur in Regensburg, sondern in ganz Deutschland. Foto: Brüssel

Das Märchen von der Bananenrepublik

Binnen einen Jahres hat sich eine Regensburger Idee bundesweit durchgesetzt. Sogar im Ausland kennt man das Team Bananenflanke jetzt schon.

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Es war einmal. So beginnen Märchen. Und es ist in der Tat eine märchenhafte Entwicklung. Denn es war einmal eine Regensburger Idee, geistig behinderte Kinder und Jugendliche so in einem Verein Fußball trainieren und spielen zu lassen, wie es jedem normalen Kind vergönnt ist, das das möchte. Und dazu quasi als Nebeneffekt auch noch Selbstwert auf- und gesellschaftliche Distanz abzubauen. Die Idee schien ob der dafür nötigen Finanzkraft zunächst arg ambitioniert, fand auf lokaler Ebene aber schnell und prächtig Anklang.

Wenn am Samstag ab 10 Uhr das Regensburger Team Bananenflanke auf dem Neupfarrplatz den meisterschaftsentscheidenden dritten Spieltag der dritten Saison absolviert, ist es schon längst nicht mehr nur eine Regensburger Angelegenheit. 377 Kinder in 18 Standorten von Lübeck und Itzehoe über Köln, Trier, Offenbach und Villingen-Schwenningen bis nach Ulm, Bayreuth, Landshut, Weiden und Memmingen kicken in einem Team Bananenflanke - das ist das Wachstum binnen eines Jahres des erst 2012 gegründeten Vereins.

Erst Gold-Stern, dann Round Table

Der Ursprung des Quantensprungs liegt im Jahr 2015. Im Januar ehrte Bundespräsident Joachim Gauck eine kleine, äußerst aufgeregte Delegation um die Vereinsgründer und Heilerzieher Stefan Plötz und Ben Rückerl in Berlin als erstes bayerisches Projekt mit dem goldenen Stern, einer Art Breitensport-Oscar. Der örtliche Round Table mit Nummer 32, Teil einer weltweit vertretenen Tisch-Organisation von Männern zwischen 18 und 40 Jahren, unterstützte die Bananenflanker schon davor und hatte dauerhaft Hand angelegt. Nun entschloss er sich zum Vorstoß, sich für das sogenannte Nationale Service-Projekt (NSP) zu bewerben.

Die Bananenflanken-Idee gewann auch diesen Wettbewerb mit dem Charme der “Liga der wahren Helden”, wie es im Slogan des Vereins heißt. Sich der Begeisterung der behinderten Kick-Protagonisten zu verschließen, war auch den Tablern beim Entscheid in Villingen-Schwenningen schier unmöglich -- ganz so, wie es sich jedes Mal bei den Spieltagen an meist öffentlichen Plätzen darstellt, wenn Passanten die gezeigte Ursprünglichkeit des Fußballs bewundern und genießen. Die Nachricht vom NSP-Triumph kam passend am Tag des ersten Spieltags im Juni 2015. Es wurde der Durchbruch, auch wenn die genauen Pläne für die NSP-Umsetzung alles andere als griffbereit in der Schublade lagen. Wie nur sollte das gehen, das woanders hin zu transportieren, was Stefan Plötz und Ben Rückerl mit Hilfe so vieler Menschen und so viel Aufwand in Regensburg umgesetzt hatten? Wenigstens vier, fünf, sechs neue Standorte wollte man auf die Beine stellen. Es wurde eine Explosion. Schritt für Schritt und mit viel Knowhow wurde ein genau durchdachter Plan ausgeklügelt.


Die Bananenkarte.

Zündender Gedanke kam in Trier

Die Ausarbeitung dieser Linie erforderte Zeit - und natürlich auch Geld. Die Round-Tabler legten sich ins Zeug. Andreas Adam spricht von einem Spendenstand von über 60 000 Euro im Mai 2012, 10 000 Euro kamen allein aus Weiden. Der zündende Gedanke kam nach einem Gespräch in Trier: Warum nicht an jedem Ort einen eigenen Bananenflanken-Verein gründen? Das funktionierte. Selbst noch ungläubig blickt Andreas Adam, der amtierende Regensburger Round-Table-Präsident, heute auf die Deutschland-Karte der Bananenflanke-Klubs. Nach Tausenden von Reise-Kilometern quer durch die ganze Republik sind zumeist mit Hilfe von Tisch-Kollegen seit dem Sommer 2015 zwölf Bananenflanke-Vereine entstanden. “Die viele Mühe hat sich mehr als gelohnt, wenn man in die Kinderaugen sieht”, sagt Andreas Adam und nennt die geschaffene neue Fußball-Welt stolz eine “Bananenrepublik”.

Nach einem Jahr endete das NSP dieser Tage. Andreas Adam präsentierte die Bilanz 850 Tablern aus Deutschland in Bamberg, in Regensburg feierte ein kleiner Kern nach. Der Round Table machte die Bananenflankenliga zur runden Sache. Der Weg ist bereitet für die nächsten Schritte. Große Schritte.

Nächster Schritt Dachverband

Bald schon soll ein Dachverband gegründet werden, mit der Bundesliga-Stiftung und der Allianz steigen namhafte Unterstützer ins Boot. Ein Geheimnis der Verbreitung ist zwar, dass an jedem Ort die Menschen mit ihren Ideen das Team Bananenflanke auch frei gestalten, andererseits aber soll, wo Bananenflanke draufsteht auch Bananenflanke drin sein. “Es gibt ein paar Grundsätze, die sind so etwas wie die zehn Gebote”, sagt Andreas Adam über die Lehren des vergangenen Jahres. Denn überall, wo ein Team Bananenflanke antritt, gilt: Es muss pädagogisch ausgerichtet und an den Profifußball angelehnt sein sowie einen regelmäßigen Trainingsbetrieb geben, dazu soll auf öffentlichen Plätzen ausschließlich mit geistig behinderten Kindern und Jugendlichen bis 27 Jahre gespielt werden. Wo immer sie können, nutzen die Bananenflanker die Strahlkraft des Fußballs und geben den Spielern das Gefühl, echte Profis zu sein. Im vergangenen Jahr unterschrieb jeder einzelne Spieler einen Vertrag und strahlte damals wie ein Honigkuchenpferd im alten Jahn-Stadion an der Prüfeninger Straße beim Kooperationspartner SSV Jahn. Heuer erhielt das Team Bananenflanke beim Ausrüster Jako einen Ausrüstervertrag wie ihn Viert- oder Fünftligisten haben. Es gibt eine eigene Bananenflanke-Linie, nach der deutschlandweit bestellt werden kann. Und zum Abschluss ruft heuer am 10. September zum zweiten Mal ein “Champions Day”, an dem die Spieler mit prunkvollen Oldtimern eine Jubelfahrt durch Regensburg machen können und anschließend wie die Großen feiern.

Bald Regensburg gegen Köln?

“Fußball kennt keine Grenzen” sagen sie beim Team Bananenflanke. Die Idee hat auch die Ländergrenzen schon überschritten. In Italien schrieb die Zeitung “La Republicca” über das Team Bananenflanke. Auch in Belgien wird darüber geredet. Es wachsen zarte Kontakte nach Übersee. Und andernorts in Deutschland träumt eine Spielermama schon davon, in den Bus zu steigen und einfach mal gegen ein Team aus einer anderen Stadt zu spielen: Berlin gegen Bayreuth, Lübeck gegen Trier, Memmingen gegen Dortmund, Köln gegen Regensburg. Warum auch nicht? Eine kleine, in Regensburg geborene Idee kommt groß raus. Es ist ein Märchen. Eines, das längst noch nicht zu Ende geschrieben ist.


Stolze Jahresbilanz: Das bundesweite Service-Projekt des Round Table brachte die Bananenflankenliga auf die bundesweite Bühne.

Aufrufe: 06.8.2016, 00:30 Uhr
Von Claus-Dieter Wotruba, MZAutor