2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Für Timm Fahrion (rechts) war im Sommer seine Zeit als Trainer bei den Stuttgarter Kickers nach vier Jahren zu Ende. Foto: Pressefoto Baumann
Für Timm Fahrion (rechts) war im Sommer seine Zeit als Trainer bei den Stuttgarter Kickers nach vier Jahren zu Ende. Foto: Pressefoto Baumann

"Das ist sehr unglücklich gelaufen"

Timm Fahrion spricht über sein Vertragsende als Trainer bei den Stuttgarter Kickers

Timm Fahrion (34) war von 2011 bis 2015 Trainer bei den Stuttgarter Kickers. Mit der U17 stieg er in die EnBW-Oberliga auf, mit der U19 landete er zuletzte auf dem zweiten Platz der A-Junioren-Oberliga. Im Sommer wurde sein Vertrag bei den Kickers nicht verlängert. Die Gründe dafür kann er bis heute nicht ganz nachvollziehen.

Herr Fahrion, Nach vier Jahren bei den Stuttgarter Kickers haben Sie im Mai zum letzten Mal an der Seitenlinie auf der Waldau gestanden. Wie fühlt sich das bisher an?

Timm Fahrion: Mir geht es so weit wunderbar. Ich gehe meiner Tätigkeit bei SchwabenSport Marketing nach und kümmere mich um meine Fußballschule in Esslingen. Ich hatte zuletzt zwei Anfragen aus dem U19 Nachwuchsbereich. Aber nach fünf intensiven Jahren, in denen viel Zeit auf der Strecke geblieben ist, will ich mir meine nächste Trainertätigkeit genau aussuchen. Jetzt haben die Gedanken überwogen, erst mal Zeit für meine Familie und mich zu haben. Das Training fehlt zwar an dem einen oder anderen Tag, aber es ist auch ganz schön, stattdessen mit der Familie beim Grillen zu sitzen.

Fiel Ihnen der Abschied also leicht?
Fahrion: Der Abschied war schon emotional. Meine Spieler haben mich auch dazu eingeladen, mal bei einem Spiel zuzuschauen. Die Chance werde ich ganz sicher wahrnehmen. Außerdem habe ich in den vier Jahren tolle Erfahrungen gemacht. Unter Horst Steffen mitarbeiten zu können war super, genauso wie die Atmosphäre im Trainerteam einzigartig war. Ich habe mich selbst weiterentwickelt und dem Verein viel zu verdanken. Doch jetzt ist das Kapitel Stuttgarter Kickers erst mal abgehakt.


Das klingt nach einer guten Zeit. Sportlich lief es für die U19 in der Hinrunde nicht ganz optimal, sie überwinterte im Mittelfeld auf Platz 5. War das der Grund für das Aus als Kickers-Trainer?
Fahrion: Diese Frage stelle ich mir oft. Das ist sehr unglücklich gelaufen, nicht nur mit dem Zeitpunkt der Entscheidung. Die wurde lange aufgeschoben. Am Ende haben wohl die zwei Niederlagen nach der Winterpause, das 0:1 gegen Heidenheim und das unerwartet schlechte Abschneiden in Balingen, dazu geführt. So ganz verstehen und runterschlucken kann ich die Entscheidung aber bis heute nicht, geschweige denn sie akzeptieren. Ich war schon enttäuscht, das war eine komische Zeit für mich.

Das Vertragsende hat Sie also überrascht?
Fahrion: Das ist untertrieben. Schließlich hatte ich die ganzen Jahre überwiegend positive Ergebnisse. Eigentlich war die Zusage auch schon da, eine Woche später sah es plötzlich anders aus. Das ist es, was ich nicht so ganz verstehe. Zu dem Zeitpunkt hatte ich auch schon fast keine Möglichkeit mehr, mich irgendwo anders umzuschauen. Da stellt sich natürlich die Frage, wie ein Verein mit seinen Trainern umgeht oder deren Leistung bewertet. Scheinbar haben nur die letzten Ergebnisse gezählt. Ich hoffe, dass mit meinem Nachfolger sensibler umgegangen wird.

Und plötzlich sind Ihnen sieben Siege in Folge gelungen.
Fahrion: Wir haben danach hochprofessionell weitergearbeitet. Und wir haben das System umgestellt, so haben wir es sogar ins Pokalfinale geschafft. Den Pokal wollten wir unbedingt gewinnen und haben alles dafür versucht. Leider sind wir denkbar knapp und unglücklich gescheitert.

Wäre ein anderes Spielsystem also schon früher nötig gewesen, um besser abzuschneiden?
Fahrion: Im Nachhinein kreide ich mir an, dass ich nicht früher gesagt habe: "Leute, passt auf, so steigen wir nicht auf." Das 4-3-3-System ist toll und hat bei der ersten Mannschaft super funktioniert. Aber vielleicht hätte der Aufstieg der U19 geklappt, wenn wir von Anfang an das System gespielt hätten, welches am besten zu meinen Spielern passt. Es macht ja durchaus Sinn, von oben nach unten mit den gleichen Spielinhalten und dem gleichen System zu spielen wie in der ersten Mannschaft. Die Frage ist nur, ob das ein Dogma ist, ob der Verein sagt, wir ziehen das durch oder ob die Ergebnisse wichtiger sind. Wenn der Aufstieg wichtiger ist, muss das auch so kommuniziert werden. Mein größter Fehler war wohl, da nicht mehrmals nachzufragen. Es ist ärgerlich, dass ich dafür so eine Rechnung bezahlen musste.

War die Saison also trotz des verpassten Aufstiegs ein Erfolg?
Fahrion: Ich bin hoch zufrieden mit der Entwicklung der Spieler: Fünf von sechs aus dem älteren Jahrgang haben den Anschluss gepackt. Die Jahrgänge, für die ich mit meinem Trainer- und Betreuerteam zuständig war, haben immer wieder frisches Blut in die U23 gebracht. Wenn man schaut, wie viele Spieler jetzt bei großen Vereinen sind, müssen sich die Kickers nicht verstecken.

Haben Sie dann jetzt erstmal genug vom Fußball?
Fahrion: Ganz ohne Fußball wird es bei mir nicht mehr gehen. Auch bei meiner jetzigen Tätigkeit geht es ja um Fußball, wenn auch eher im Breitensport. Die Arbeit als Trainer wird immer ein Thema für mich bleiben. Ich würde aber sicher nicht mehr als Cheftrainer und Co-Trainer in Personalunion arbeiten, weil man dabei zwischen zwei Fronten aufgerieben wird und Energie auf der Strecke bleibt. So wird man auch angreifbar. Im nächsten Jahr will ich auch meine Ausbildung zum Fußball-Lehrer machen, das hat dieses Jahr leider nicht geklappt. Es gibt schon ein paar Kontakte und vielleicht geht es am Ende schneller als man denkt. Aber ich bin da sehr entspannt und sehr offen, auch die Arbeit als sportlicher Leiter kann ich mir vorstellen. Das ist ein Bereich, der mich sehr reizt. Ich habe das schon beim FC Esslingen gemacht und gesehen, dass man dabei viel beeinflussen kann: die sportliche Ausrichtung und die Entwicklung. Bei Michael Zeyer habe ich den Bereich ein bisschen kennengelernt und er ist das beste Beispiel, wie ein Verein sich durch gute Arbeit in kurzer Zeit sehr verbessern kann.

Wäre denn auch ein Trainerposten bei einem Amateurverein für Sie denkbar?
Fahrion: Das Angebot und die Perspektiven müssen passen, deshalb würde ich generell nichts ausschließen. Ein Amateurverein, der zügig Richtung Profi-Bereich will, wäre eine Option. Aber eine Landesliga-Mannschaft wäre mir davon einfach zu weit weg. Allerdings bin ich auch realistisch: Für einen Posten als Cheftrainer im Profi Bereich muss ich erst noch ein paar Erfahrungen mehr sammeln.

Fiel Ihnen die Entscheidung, zu den Stuttgarter Kickers zu gehen, deshalb vor vier Jahren leicht?
Fahrion: Die Kickers sind ein ganz spezieller Verein. Mit Tradition, richtig geilen Fans und einem familiären Klima. Diese Verbundenheit und das Miteinander haben mir gefallen, ich habe viele tolle Bekanntschaften gemacht. Schließlich waren auch die Perspektiven für mich da. Nach dem Aufstieg mit der U17 hatte ich mich darauf eingestellt, die Mannschaft noch ein weiteres Jahr zu trainieren. Es hat mich sehr geehrt, als ich dann den Trainerposten bei der U19 angeboten bekommen habe und ich musste nicht lange überlegen. Insgesamt habe ich so für mein Alter verhältnismäßig viel Erfahrung gesammelt.

Glauben Sie, dass der Kickers-U19 in der kommenden Spielzeit der Aufstieg gelingt?
Fahrion: Die Mannschaft ist so stark, dass der Aufstieg absolut möglich ist. Ich bin überzeugt, dass das Trainerteam die richtigen Stellschrauben drehen und das schaffen wird. Mit meinem Nachfolger habe ich mich sehr rege ausgetauscht, das war eine super übergabe. Er hat sich lange meine Meinung angehört. Ich bin überzeugt, dass die Kickers um den Aufstieg mitspielen.

Aufrufe: 016.7.2015, 12:00 Uhr
Jonas MüllerAutor