2024-05-10T08:19:16.237Z

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Foto: Christof Wolff
Foto: Christof Wolff

Das Comeback des Jahres

Mit 50 Jahren kickt Uwe Kullmann noch immer - aber nicht etwa bei den Alten Herren

Uwe Kullmann, 50, ist der älteste aktive Amateurspieler am Niederrhein. Der Libero der SSVg06 Haan trifft
Samstag für Samstag auf Gegner, die seine Söhne sein könnten.

Herr Kullmann, Sie spielen mit 50 Jahren noch in der Kreisliga. Haben Sie keine anderen Hobbys?

Kullmann Ich war schon immer ein Fußballverrückter. Solange der Körper mitspielt und mir kein 20-Jähriger wegläuft, sehe ich keinen Grund aufzuhören.

Das könnten doch alles ihre Söhne sein!

Kullmann Ja, das stimmt, und unser rechter Verteidiger ist tatsächlich mein künftiger Schwiegersohn.

Wie kam es zum Comeback in dieser Saison?

Kullmann In der Hinrunde hatte der SSVg06 Haan großes Verletzungspech. Darauf hat der Trainer angefragt, ob ich mal für zwei, drei Spiele aushelfen kann. Ich habe mir die Freigabe von meiner Frau geholt und erst einmal ein paar Wochen mittrainiert.

Wie lautet Ihre aktuelle Zwischenbilanz?

Kullmann Ich stand während der Hinrunde sieben Mal in der Anfangsformation, habe insgesamt 508 Minuten gespielt. Und einmal wurde ich sogar in die FuPa-Elf des Spieltages gewählt. Wir gewannen an dem Wochenende mit 2:0, und ich habe als Letzter Mann wohl einen ganz guten Job gemacht.

Und dann wurde Ihr Vertrag automatisch verlängert?

Kullmann Als die verletzten Spieler zurück waren, hat unser Trainer heimlich mit meiner Frau gesprochen. Er hat gefragt, ob sie mich nochmal ein halbes Jahr entbehren kann. Sie weiß, wie viel mir der Fußball bedeutet, und hat ihm schließlich zugesagt.

Warum können Sie eigentlich immer noch mithalten?

Kullmann Ich hatte nie eine große Verletzung, nur kleinere Bänderrisse. Ich esse, trinke und rauche, das ist kein Geheimnis, aber mein Gewicht von 76 Kilo habe ich über die Jahre gehalten. Vielleicht falle ich auf dem Platz nicht so auf, weil ich bis heute kaum ein weißes Haar habe.

Müssen Sie als Methusalem ein individuelles Training absolvieren?

Kullmann Nein, ich mache alles ganz normal mit, auch das Spinning oder die sechs Kilometer um den Unterbacher See. Dabei habe ich immer noch den Ehrgeiz, nicht als Letzter anzukommen.

Und, wie gut klappt das?

Kullmann Ja, so sechs bis acht Leute lasse ich schon immer noch hinter mir.

Für wen sind Sie in Ihrer besten Zeit aufgelaufen?

Kullmann Ich habe in allen Spielklassen gekickt, von der Kreisliga C bis zur Landesliga, auch für den TSV Gruiten und Britannia Solingen. Ich habe mir die Mannschaften immer nach der Kameradschaft ausgesucht. Für Geld wollte ich nicht spielen. Die höchste Ablöse, die jemals für mich bezahlt wurde, waren 200 Mark.

Was ist heute anders als zu dieser Zeit?

Kullmann Heute spielen wir meistens auf Kunstrasen. Ich habe den größten Teil meiner Karriere auf Ascheplätzen verbracht. Wenn ich jetzt auf dem harten Untergrund spiele, tuen mir hinterher schon mal Knie und Kreuzband weh.

Was hat sich ansonsten auf dem Platz verändert?

Kullmann Heute spielt man selbst in der Kreisliga mit 3er-Kette, neben mir gibt´s zwei Verteidiger und vor uns zwei Sechser. Zudem ist der Fußball schneller geworden, weil heute ganz anders trainiert wird. Und, das Wichtigste: Früher wurde nicht so viel über Taktik gesprochen.

Eine große Umstellung für Sie?

Kullmann Die Taktik bestimmt inzwischen die Hälfte eines Spiels. Ich sitze bei Besprechungen schon manchmal wie ein Fragezeichen in der Kabine. Die Spielweise hat sich drastisch geändert. Und die Jüngeren beherrschen die ganzen Fachbegriffe viel besser als ich. Ich muss dann manchmal noch ein Einzelgespräch mit dem Trainer führen.

Was fällt Ihnen im modernen Kreisliga-Fußball sonst noch auf?

Kullmann Es ist alles kommerzieller geworden. Früher war man stolz, sein Trikot zu tragen. Heute ziehen es viele erst an, wenn sie wissen, wie viel Geld es dafür gibt. Ich habe früher für ein paar Bierchen gespielt.

Und was hat sich in den letzten dreißig Jahren verbessert?

Kullmann Die Ausstattung in den Kabinen. Früher waren es immer Duschen aus der Hölle, inzwischen sind das ja fast Wellness-Oasen.

Wie kommunizieren Sie mit dem Team?

Kullmann Wir organisieren uns über eine WhatsApp- Gruppe. Ich habe noch Zeiten erlebt, in denen man eine Telefonkette hatte, wenn das Spiel ausfiel.

Was steht denn im Strafkatalog, was es früher noch nicht gab?

Kullmann In der Kabine gilt absolutes Handy-Verbot. Wenn´s trotzdem klingelt, ist man mit 15 Euro dabei.

Jetzt mal ehrlich, was stört Sie an der heutigen Generation am meisten?

Kullmann Früher haben wir uns einfach umgezogen und sind raus. Heute schauen viele erst noch, ob die Haare richtig liegen oder ob das Stirnband sitzt. Lauter modische Kleinigkeiten, die ich nicht verstehe. Die einzige Extravaganz, die ich mir leiste, ist eine lange Radlerhose bei kaltem Wetter.

Wo unterscheiden Sie sich sonst noch von den Mannschaftskameraden?

Kullmann Ich trage einen schwarz-weißen Fußballschuh, nicht pinke oder gelbe Treter. Wir hatten früher auch immer nur ein Paar. Die jungen Kollegen kommen schon mal mit einer ganzen Kollektion zum Spiel – für jede Gelegenheit die richtigen Noppen.

Wird die Kabine Ihrer Mannschaft auch vor dem Spiel beschallt?

Kullmann Ja, leider mit komischer Bum-Bum-Musik. Ich kenne die Interpreten gar nicht, bin eher so ein Schlagertyp. Für mich haben sie jetzt aber auch Helene Fischer auf die CD getan.

Letzte Frage: Wie lange spielen Sie denn jetzt noch weiter?

Kullmann Ich habe Trainer und Mannschaft versprochen, die ganze Saison mitzumachen. Das war dann aber definitiv meine letzte Saison in der 1. Mannschaft.

Aufrufe: 022.4.2015, 11:07 Uhr
Nachspielzeit / Thorsten SchaarAutor