2024-06-17T07:46:28.129Z

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Ist das Bestechung? Hans-Peter Wingefeld präsentiert Henry Mohr ein Geschenk und alle schauen zu. Nein, die untadeligen Kreisfußball-Funktionäre sind hier bei Mohrs 60. Geburtstag zu sehen. Und äußern sich ansonsten kritisch zum DFB-Skandal. Foto: Archiv
Ist das Bestechung? Hans-Peter Wingefeld präsentiert Henry Mohr ein Geschenk und alle schauen zu. Nein, die untadeligen Kreisfußball-Funktionäre sind hier bei Mohrs 60. Geburtstag zu sehen. Und äußern sich ansonsten kritisch zum DFB-Skandal. Foto: Archiv

"Da ist einiges schief gelaufen"

+++ Heimische Fußball-Funktionäre fordern Klarheit von Beckenbauer und Zwanziger +++

GIESSEN - (oha). Nachrichten der Woche: Wolfgang Niersbach tritt als DFB-Präsident zurück, Franz Beckenbauer scheint tiefer verstrickt in den Skandal um das vermeintlich ver- und gekaufte Sommermärchen. Die Reaktionen auf die neuesten Entwicklungen sind auch bei den heimischen Fußball-Funktionären gekennzeichnet von Überraschung, Enttäuschung und Bedauern.

Hans-Peter Wingefeld, stellvertretender Kreisfußballwart: "Ich finde es bedauerlich, dass Niersbach zurücktreten musste, zumal ich glaube, dass er wirklich nichts von alledem wusste. Nach wie vor bin ich überzeugt, der Herr Doktor Zwanziger wollte seinen Rücktritt unbedingt. Aus politischen Gründen hat Niersbach dann diese Entscheidung getroffen. Es bleibt abzuwarten, was noch alles auftauchen wird; was bis jetzt herausgekommen ist, wird nicht das Einzige bleiben. Prognosen sind aktuell schwer zu treffen, aber dem deutschen Fußball schadet es bereits jetzt."

Auch Fußballwart Henry Mohr ist nicht erfreut über die Ereignisse: "Da ist einiges schief gelaufen, Zahlungen wurden getätigt, aber im Zuge dessen sollte man eher den Namen Beckenbauer nennen als den Niersbachs. Allerdings hat Franz Beckenbauer nichts getan, außer die Weltmeisterschaft in unser Land zu holen. Es ist nichts wirklich Schlimmes passiert, es hat ja niemand irgendjemanden umgebracht. Trotzdem wäre es gut, wenn nun gründliche Ermittlungen folgen und endlich die Wahrheit auf den Tisch kommt. Sicherlich, es ist keine schöne Situation für den Funktionärsbereich im Fußball und im Verband, aber der Spielbetrieb geht weiter. Politische Verantwortung wurde jetzt übernommen."

Ein Lachen verkneifen musste sich der Vorsitzende des Kreissportgerichts, Harry Keil, bei der Frage nach der Weiterentwicklung der Geschichte um Niersbachs Rücktritt: "Tja, da ist wohl einer das Bauernopfer und muss den Kopf hinhalten für den ach so sauberen Theo Zwanziger und Franz Beckenbauer, der immer noch glaubt, eine weiße Weste zu tragen. Bis jetzt hat er sich nicht geäußert, aber die Gelder sind doch in jedem Fall geflossen. Da haben die hohen Herren echt Mist gebaut und sollten sich jetzt ein Herz fassen, Mut beweisen und zugeben, was passiert ist. Auch weil in der Vergangenheit doch alles richtig gelaufen ist", ergänzt Keil ironisch.

"Einige Leute, wie zum Beispiel der große Kaiser, müssen der Öffentlichkeit die Wahrheit sagen", fordert Kreisjugendwart Jürgen Jung"Franz Beckenbauer ist die tragende Figur, Wolfgang Niersbach ist da bloß hineingerutscht. Dennoch muss das Gremium von 2006 die Karten auf den Tisch legen, und jeder soll sagen, was er weiß und zugeben, was er unterschrieben hat. Jetzt bleibt abzuwarten, was daraus entsteht. Aber die WM im eigenen Land damals, die kann und wird uns keiner nehmen."

Schiedsrichter-Obmann Hans Peter Schön sieht in den Geschehnissen einen persönlichen Rachefeldzug gegen Wolfgang Niersbach: "Die Nachricht seines Rücktritts kam überraschend, aber am bedauerlichsten ist das Verhalten seines Vorgängers. Niersbach kann am wenigsten dafür und hat jetzt die Reißleine gezogen, doch Theo Zwanziger hätte wissen müssen, was genau Franz Beckenbauer damals unterschrieben hat. Schwierig zu sagen, wie es nun weitergeht. Einerseits bleibt abzuwarten, inwieweit Beckenbauer belangt werden kann, andererseits muss nun die Frage nach einem Nachfolger beantwortet werden."

Sandra Landgraf, die Referentin des Frauen-Fußballs, ist zwiegespalten: "Auf der einen Seite kann ich Niersbachs Entscheidung nachvollziehen. Als Persönlichkeit mit Charakter hat er sich den Rücktritt sicher reiflich überlegt. Dennoch halte ich den Zeitpunkt der Maßnahme für unglücklich gewählt. So wie es jetzt ist, bleibt noch ganz viel Raum für Mutmaßungen, und dass sich Franz Beckenbauer zurückhält, trägt nicht zu einer Milderung der Angelegenheit bei. Den Medienrummel zu handhaben, stelle ich mir schwierig vor und sowohl Niersbachs Rücktritt als auch das Heraushalten von Franz Beckenbauer können darin begründet liegen, dass beide ihr Privatleben schützen wollen. Die Interviews haben bisher nicht befriedigt, doch irgendeiner muss etwas wissen, und der soll die Wahrheit aufdecken. Ich finde es schade für den deutschen Fußball, und ich schätze Niersbach als Person. Doch egal was da geschehen ist, nichts mindert unser Sommermärchen und das Engagement zahlreicher Menschen, die die WM zu dem gemacht haben, was sie war."

Aufrufe: 013.11.2015, 20:13 Uhr
Gießener AnzeigerAutor