2024-04-24T13:20:38.835Z

Allgemeines
F: Schwarz
F: Schwarz

Charmantes Dorfambiente

RL SÜDWEST: +++ Überwiegend positive Resonanz nach Regionalliga-Spiel in Watzenborn-Steinberg +++ Wiederholung möglich +++

W.-STEINBERG. Andreas Hinkel kennt viele der großen Fußball-Arenen dieser Welt: Dortmund, München in Deutschland, das Estadio Santiago Bernabéu in Madrid, das Camp Nou in Barcelona sowie aus Glasgow Ibrox-Stadium und Celtic-Park. Sein Debüt als Trainer des VfB Stuttgart II gab der 21-fache Nationalspieler in keinem dieser „Tempel“, auch nicht in einer der mindestens auf Drittliga-Fußball ausgelegten modernen Arenen in Offenbach oder Mannheim.

Er gastierte mit seinem Team nicht in den altehrwürdigen Stadien in Homburg, Trier oder Koblenz und auch nicht im kleinen Walldorf, wo Dietmar Hopp ein kleines, aber feines Stadion finanziert hat. Hinkel startete in seinen neuen Karriereabschnitt auf dem Sportplatzgelände an der Neumühle in Watzenborn-Steinberg, als Gast des Regionalliga-Aufsteigers SC Teutonia.

Ob er ein Problem mit dem „Dorfambiente“ gehabt habe, wurde der 34-Jährige auf der Pressekonferenz nach dem 1:0-Sieg seiner Farben gefragt. Als das Wort „Dorfambiente“ fiel, lachte Hinkel breit und antwortete sympathisch und zugleich glaubwürdig: „Nein, überhaupt nicht.“

Premiere feierte am Samstagnachmittag nicht nur Hinkel, sondern auf der anderen Seite auch der Club aus dem kleinen Pohlheimer Stadtteil, denn der trug erstmals ein Regionalliga-Heimspiel auf seiner eigenen Anlage aus. Viertliga-Fußball, quasi Profifußball, in Watzenborn – möglich wurde das durch die Unbespielbarkeit des Rasens im Stadion Wetzlar und den Fakt, dass die Partie gegen Stuttgart II in die Kategorie der „grünen Spiele“ fiel. Und die geringeren DFB-Auflagen für diese Spiele sind für die Teutonia in Watzenborn umsetzbar.

Das hatte schon etwas, wenn man aus Richtung Gießen kommend das Gelände ansteuerte. Vorbei an grasenden Schafen auf der Wiese am Fuße des Parkplatzes, das Auto abgestellt, richtete sich der Blick alsbald auf den schicken Mannschaftsbus des hochtalentierten VfB-Nachwuchses, der eine Stunde später den prima präparierten Rasenplatz beackern sollte. „Wir sind lieber hier als in Wetzlar“, meinte einer der mitgereisten Anhänger aus der baden-württembergischen Landeshauptstadt und ergänzte: „Das hier ist ehrlicher Fußball. Es gibt Bierstände und Bratwurst – was willst du mehr?“

Dass gespielt werden konnte, kam allerdings keineswegs aus dem Nichts. Die Teutonen-Verantwortlichen um Teammanager Andreas Heller hatte alle Hände voll zu tun, um dieses Ereignis auf die Beine zu stellen. Unter der Woche wurde in der Kürze der Zeit der Platz präpariert, Getränke- und Essensstände aufgebaut, die Werbebanden herbeigeschafft und in Stellung gebracht. Der VIP-Bereich im Freien, glücklicherweise hielt das Wetter, strahlte die Gemütlichkeit eines Grillfestes aus. Einen roten Teppich bekamen die „jungen Wilden“ aus Stuttgart („Viele von denen werden in der dritten, zweiten und vielleicht sogar in der ersten Liga landen“, prophezeite SC-Coach Stefan Hassler) ausgerollt, aber immerhin auf der Aschenbahn in der Zone der Ersatzbänke und Trainerstühle einen grünen, eben in der eigenen Vereinsfarbe. Kurzum: Der Dorfsportplatzcharakter, gepaart mit den emsigen Bemühungen des Vereins und dem Namen des Gegners sorgten für ein außergewöhnliches Flair. Abgesehen vom Ergebnis stimmte an diesem Nachmittag einfach alles.

„Ich habe mit vielen Menschen gesprochen. Die haben bestätigt, dass das hier einen besonderen Charme hat. Das macht Lust auf mehr“, freute sich Teutonen-Geschäftsführer Jörg Fischer über die positiven Stimmen, „und ich hoffe auf einige Zuschauer mehr, denen der Weg nach Wetzlar vielleicht zu weit ist“. Stefan Hassler mutmaßte in der Nachschau, „in Wetzlar wären nicht so viele Leute gekommen“. Die über den Erwartungen liegende Zuschauerzahl von 824 Besuchern legt diesen Schluss zumindest nahe und könnte für Fischer und Co. als weiteres Argument dienen, in Watzenborn eine regionalligataugliche Spielstätte anzustreben, die auch für „gelbe“ und „rote“ Spiele geeignet ist. Vieles steht und fällt dabei natürlich mit dem sportlichen Erfolg, denn bei einem direkten Wiederabstieg in die Hessenliga bräuchte es keine neue Spielstätte.

Ein Hintertürchen, um noch in dieser Saison ein weiteres Mal Regionalliga-Fußball zu präsentieren, ließ sich Fischer offen: „Wetzlar bleibt unser erster Spielort. Wenn da aber am übernächsten Samstag wieder nicht gespielt werden kann, werden wir wieder den Antrag stellen, nach Watzenborn ausweichen zu können.“ Gegner ist dann der FCA Walldorf, ein Gegner erneut aus der „grünen“ Kategorie. Viele Zuschauer würden sich sicher freuen.



Aufrufe: 021.2.2017, 08:00 Uhr
Thomas Suer (Gießener Anzeiger)Autor