Die Szene hätte auch aus einem Klamaukfilm stammen können. Mit Wucht hatte Volkan Candan den Ball aufs Tor schießen wollen. Doch kam der 27-Jährige auf dem regennassen Rasen ins Rutschen und geriet in Rücklage. Die Folge: das Spielgerät flog steil in Richtung Wolken, während Candan selbst unsanft auf dem Hosenboden landete.
Wenn es noch eine Begebenheit mit Symbolcharakter gebraucht hatte: bitte, das war sie. Wobei: dass sie einen jener Tage erwischt hatten, an denen man besser zuhause im Bett bleibt und es sich empfiehlt, erst gar keinen Fuß vor die Tür zu setzen, das muss den Verbandsliga-Fußballern von Calcio Leinfelden-Echterdingen zu diesem Zeitpunkt eh schon längst klar gewesen sein. Geworden ist es für den Aufsteiger schließlich ein rundum düsterer Sportnachmittag, dies mit einem Ergebnis, bei dem manch einer wohl sicherheitshalber ein zweites Mal hinschaut. Jedoch, kein Irrtum: unter dem Strich stand im Auswärtsspiel in Ilshofen ein krachendes 1:6 – mithin die höchste Calcio-Punktspielniederlage seit fünf Jahren und vier Monaten. Damals, im Juni 2011, hatte der Filderclub noch als Bezirksligist zuhause gegen die Spvgg Möhringen mit dem gleichen Resultat verloren.
Aktuell nun darf gestaunt werden über einen Auftritt, der Fragen aufwirft. Gewiss, keine Mannschaft der Welt, die nicht einmal Formschwankungen ausgesetzt wäre. Aber in derart krasser Form? Wie erklärt sich ein solcher Leistungsabsturz innerhalb kürzester Zeit? Zur Erinnerung: gerade mal zwei Wochen ist es her, dass Calcio dem Spitzenreiter Freiberg im Gipfelduell auf Augenhöhe begegnete. Hatte der Trainer Cataldo Diletto darauf das schon gänzlich missratene Krautfestspiel gegen den FC 07 Albstadt für einen einmaligen Ausrutscher gehalten, so wurde er am Samstag böse eines Schlechteren belehrt. Wüsste man es nicht besser, man hätte glatt vermuten können, der Coach habe sein vorheriges Aufgebot gegen elf schlechte Doppelgänger ausgetauscht.
„Wir haben heute kollektiv versagt“, sagte der Kapitän Giuseppe Ricciardi. In der Abwehr unsortiert und unkonzentriert, im Mittelfeld ohne die nötige Aggressivität in den Zweikämpfen, im Angriff bar jeglicher Durchschlagskraft – so taumelten die bislang eigentlich gerade für ihre Auswärtsstärke bekannten Echterdinger ins Desaster. Und zumindest zwei von ihnen dürfte die Begegnung in spezieller Erinnerung bleiben. Für Nektarios Malamidis und Josip Pranjic dauerte sie lediglich 19 Minuten. Dann bedachte Diletto sein Innenverteidiger-Duo quasi mit der Höchststrafe: doppelte Auswechslung schon in dieser Phase der Partie. Zeit für beide Routiniers, zum Duschen zu gehen. „Ich musste reagieren“, erläuterte der Trainer später seine ungewöhnliche Maßnahme, „ich konnte ja nicht einfach weiter zuschauen, wie einige Spieler nicht vom Fleck kommen.“
Vorgeführt worden war die Calcio-Defensive bis dahin allein von einem Mann. Benjamin Kurz hatte jene bei den beiden ersten Gegentoren aussehen lassen, als versuchte sich ein Traktor im Beschleunigungstest gegen einen Sportwagen. Das Strickmuster war jeweils das gleiche: weit geschlagener Ilshofener Ball, und dann ging Kurz auf und davon. Doch damit nicht genug. Der 22-Jährige sollte überhaupt zum Echterdinger Schreckgespenst avancieren. In der zweiten Hälfte markierte er auch noch die Gastgebertreffer Nummer vier und fünf. Außerdem netzten Andrey Nagumanov und Michele Varallo für eine zuletzt entfesselt aufspielende Heimelf ein. Eindrucksvoll zeigte der von seinem Spielertrainer Ralf Kettemann gelenkte Vorjahresaufsteiger dabei auf, was man unter einem schnellen Umschaltspiel versteht. Der einstige Kickers-Profi Kettemann selbst steuerte als kluger Passgeber drei Torvorlagen bei.
Calcio-Pech mag man es in diesem Zusammenhang nennen, dass dem Kontrahenten just am Spieltag zuvor mit einem 5:1-Sieg in Berg offenkundig eine Initialzündung gelungen war. Calcio-Verhängnis wurde es indes mit, dass „wir schließlich etwas demoralisiert waren und abgeschaltet haben“, wie Diletto feststellte. In diesem Sog verpufften denn auch der eine eigene Treffer sowie eine vom Trainer früh vorgenommene dritte Korrektur an der Aufstellung. Diamant Avdius Schlenzer zum zwischenzeitlichen 1:3 brachte nur kurz noch einmal Hoffnung – und nur vorübergehend war auch jene Stabilität, die mit Candans Positionstausch einkehrte.
Der Mann mit der eingangs geschilderten unfreiwilligen Slapstickeinlage begann die Begegnung als zweite Spitze, ehe er als zusätzliche Absicherung ins defensive Mittelfeld wechselte. Immerhin für ihn hatte die Partie dann auch noch ein Gutes: Verletzt hat sich Candan bei seinem Sturz auf den verlängerten Rücken nicht.
Das war es aber auch schon mit positiven Erkenntnissen für die Echterdinger vom Trip ins nasskalte Hohenlohische. Was für ein verschenkter Nachmittag! Um nicht zu sagen: einer fürs Hinterteil.
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