2024-04-24T13:20:38.835Z

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In seinem Element: Solvay-Trainer Boris Darvich (rechts) beim Testlauf vor dem Bundesligaspiel des SC Freiburg gegen den FC Bayern München mit Sky-Kommentator Jonas Friedrich. | Foto: Benedikt Hecht
In seinem Element: Solvay-Trainer Boris Darvich (rechts) beim Testlauf vor dem Bundesligaspiel des SC Freiburg gegen den FC Bayern München mit Sky-Kommentator Jonas Friedrich. | Foto: Benedikt Hecht

Boris Darvich: Einflüsterer der Bundesliga-Kommentatoren

Trainer Boris Darvich kämpft mit dem SV Solvay Freiburg in der Verbandsliga gegen den Abstieg – und unterstützt bei Heimspielen des SC Freiburg die Kommentatoren

Mit dem SV Solvay Freiburg kämpft Trainer Boris Darvich in der Verbandsliga gegen den Abstieg - bei Heimspielen des SC Freiburg unterstützt er die Kommentatoren des Pay-TV-Sender Sky. Was macht er da genau?
„Zum Glück hatten wir den Termin fix gemacht.“ Boris Darvich, Trainer des SV Solvay Freiburg, kommt am Freiburger Fahnenbergplatz angeeilt, streckt mit einem großen Strahlen im Gesicht die Hand zur Begrüßung entgegen. Das Café ist direkt gegenüber seines Arbeitsplatzes. Nur kurz die Ampel überqueren muss der 37-Jährige, der im Berufsleben eine Sprachschule leitet. Darvich bestellt eine Schokolade, „lass uns doch in die Sonne setzen“, sagt er und fügt an: „Eigentlich stehe ich ja nicht so gerne im Mittelpunkt.“

Ein paar Minuten will er so dem Arbeitsalltag enteilen, dem Stress. Aus den wenigen Minuten werden ungefähr eineinhalb Stunden. Denn Darvich ist nicht nur Leiter einer Sprachschule und Trainer beim Verbandsligisten SV Solvay Freiburg, er übt auch noch einen interessanten Nebenjob aus, der viel seiner Zeit vereinnahmt. Für den Datendienstleister Opta sitzt der gebürtige Franzose, der mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, bei Heimspielen des SC Freiburg auf der Pressetribüne des Schwarzwaldstadions – direkt neben dem Sky-Kommentator – und ist dessen Einflüsterer.

Der Pay-TV-Sender Sky wird den meisten Fußballkennern ein Begriff sein, doch Opta? Was macht Darvich da? Im Jahr 2008 kam der zweifache Familienvater zu dieser Tätigkeit. Ein Studienkollege, der zuvor diesen Job ausübte, hatte ihn gefragt und für ihn gebürgt. „Nach Bewerbung und einem Vorstellungsgespräch war ich drin.“ Seitdem assistiert Darvich den jeweiligen Kommentatoren, sitzt während des Spiels neben ihnen, füttert sie über Funk oder per Karteikarten mit Informationen und Statistiken, unterstützt ihn mit seinen Eindrücken, bietet ihm ein Paar zusätzliche Beobachter-Augen. Eine zeitintensive Nebenbeschäftigung: „In der Regel bekomme ich donnerstags 100 bis 130 Seiten Material über beide Mannschaften, dazu auch die Dispo, wer der Kommentator ist.“

Jeder Kommentator ist anders, benötigt andere Infos. Der eine ist mehr, der andere weniger Statistik-Freak. Nicht jede Information ist zudem interessant – Darvich trifft die Auswahl. Gut vier Stunden investiert er für die Vorbereitung, brieft dann jeweils vor dem Spiel seinen jeweiligen Sprecher, besorgt sich bei den Vereinen vor Anpfiff die Aufstellungen, „in 80 Prozent bei den Pressesprechern, da die Trainer bereits im Tunnel sind“. Doch trotz der akribischen Vorarbeit „lag ich, wie alle, vergangenes Wochenende gegen Hoffenheim daneben: Dass beim SC Vincenzo Grifo nicht spielt, hat keiner erwartet.“ Darvich räumt zugleich ein: „Es hat eine Saison gedauert, bis ich in dem Job angekommen bin und wusste, welcher Kommentator was erwartet oder wie tickt.“ Doch missen möchte er diese Arbeit nicht, „auch wenn ich nach einem Spiel ziemlich ausgelaugt bin“.

Sein Nebenjob beinhaltet aber auch Abstriche im Privatleben. Montags Stützpunkt-Training für die Verbandsauswahl in Herbolzheim, dienstags, donnerstags, freitags Trainingseinheiten mit seinem SV Solvay, „zum Glück sind meine Frau und meine Kinder fußballverrückt. Wieviel Zeit für die Familie bleibt kann sich jeder ausrechnen“, sagt er, sonst würde es auch nicht funktionieren.

Kann Darvich etwas aus seiner Tätigkeit bei Opta für den Trainerjob beim SV Solvay mitnehmen? „Definitiv“, antwortet er sofort. „Ich analysiere Spiele mittlerweile anders, schaue wieviel Ballbesitz wir hatten und ähnliches.“ Zudem hat er mittlerweile eine andere Sichtweise auf die Schiedsrichter. „Früher wäre ich ihnen gegenüber lauter geworden, heute höchstens zweimal pro Partie.“

Man merkt Darvich an, er ist mit Feuereifer bei der Sache, schwärmt trotz des letzten Tabellenplatzes von seiner Mannschaft. Und doch ist seine Zukunft beim Klub von der Möbelmeile offen. „Solvay würde gerne mit mir verlängern, wir haben uns aber noch nicht geeinigt.“ Denn Darvich ist ehrgeizig, braucht ein Ziel. „Die entscheidende Frage ist die Philosophie des Vereins, die Ligazugehörigkeit ist uninteressant.“ Er würde sofort mit der Mannschaft in die Landesliga gehen, doch einen erneuten Umbruch mit ungefähr 20 Neuzugängen und 20 Abgängen will er nicht erleben.
Aufrufe: 016.3.2017, 20:30 Uhr
Benedikt Hecht (BZ)Autor