2024-04-19T07:32:36.736Z

Interview
Der Mannschaftskapitän vor dem Wappen des VfB Bodenheim. Zukünftig wird der Verein in den Hintergrund treten. (Foto: T. Boor)
Der Mannschaftskapitän vor dem Wappen des VfB Bodenheim. Zukünftig wird der Verein in den Hintergrund treten. (Foto: T. Boor)

"Bingo" macht Schluss: Das Ende einer Ära

Beim Landesligisten VfB Bodenheim kündigt sich zum Saisonende eine Zeitenwende an. Der 30-jährige Mannschaftskapitän und Ehrenspielführer Dennis Bingenheimer hat seinen Abschied angekündigt.

Bodenheim. Das Karriereende eines langjährigen Spielers ist für die meisten Vereine sehr häufig ein herber Schlag. Im Fall des Bodenheimers Dennis Bingenheimer wiegt der Verlust für den Landesligisten noch etwas schwerer.

„Bingo“, wie er von Freunden und Mitspielern genannt wird, spielt seit 20 Jahren für den VfB Bodenheim. Bereits in der E-Jugend schnürte er erstmals seine Fußballschuhe für diesen einen, seinen Verein. Auch heute noch prägt er das Bild der ersten Mannschaft , in der er seit 13 Jahren kickt und die er als Kapitän seit zehn Jahren auf dem Platz anführt. Noch im März, zu Bingenheimers 30. Geburtstag, honorierte der VfB diese besondere Spielerkarriere und ernannte ihn zum ersten Ehrenspielführer.

Doch zuletzt kursierten immer wieder Gerüchte um einen möglichen Abschied nach der Saison. Seit dem Meisterschaftsspiel gegen die SG RWO Alzey herrscht nun Gewissheit: Nach dieser Saison ist endgültig Schluss!

Für uns Grund genug sich diesen besonderen Spieler einmal genauer anzusehen und sich mit ihm über seine Karriere zu unterhalten. FuPa-Redakteur Torsten Boor hat sich daher mit „Bingo“ getroffen. Was dabei herauskam, ist ein Interview über Ziele und Wünsche, über Leidenschaft, Vereinstreue und Freunde eines Ausnahmefußballers im Amateurbereich.

Hallo Dennis. Zunächst einmal möchte ich Dir im Namen von FuPa ganz herzlich zur Verleihung der Ehrenspielführerschaft durch den VfB Bodenheim gratulieren. Für Dich sicherlich wieder eines der ganz besonderen Ereignisse in diesem Verein?

Vielen Dank und ja. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich hatte an meinem 30. Geburtstag tatsächlich noch darüber nachgedacht, ob ich überhaupt zum Training erscheinen sollte. Und dann diese Überraschung. Ich wusste von nichts und war total perplex. Ein wirklich ganz besonderes Ereignis und eine riesige Ehre, die mir zuteil geworden ist.

"Ich kann der Mannschaft einfach nicht mehr so sehr helfen und sie unterstützen, wie ich eigentlich gewillt bin."

Zuletzt hatte es Gerüchte gegeben, wonach Du darüber nachdenken würdest, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. Nach dem Ligaspiel gegen RWO Alzey hast Du dann deine Mitspieler und die Offiziellen informiert und das Ende deiner Spielerkarriere zum Saisonende bestätigt. So wie auch wir fragen sich sicherlich viele: Warum?

Das hat primär gesundheitliche Gründe. Ich habe für mich seit längerem festgestellt, dass der Körper und ganz besonders die Kniegelenke, nicht mehr so gut funktionieren, wie dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Ich kann der Mannschaft einfach nicht mehr so sehr helfen und sie unterstützen, wie ich eigentlich gewillt bin. Ich hatte zwei schwere Verletzungen in meiner Laufbahn. Einen Kreuzbandriss im rechten und einen Teilanriss im linken Knie. Ich habe in letzter Zeit lange Gespräche mit meinem Trainer Jockel Weinz geführt und dann den Entschluss gefasst.

Du sprichst deinen Trainer an. Er wusste demnach frühzeitig von Deinen Überlegungen. Wie haben denn Deine Mitspieler die Entscheidung aufgenommen?

Natürlich trifft man solch eine Entscheidung am Ende für sich selbst und in gewisser Weise auch alleine. Dennoch habe ich es für sinnvoll erachtet mit meinem Trainer darüber zu sprechen. Er ist einfach ein Super-Typ! Sowohl als Coach sowie auch als Privatmann, für mich ein Ausnahmetrainer. Jemand der Zuckerbrot und Peitsche in den genau richtigen Momenten und immer richtig dosiert einzusetzen weiß. Bei der Mannschaft stieß ich mit meiner Entscheidung ebenfalls auf Verständnis. Die Truppe ist in einer großartigen Verfassung und auch für die kommende Spielzeit sehr gut aufgestellt. Das machte mir die Entscheidung einfacher. Es ist der richtige Zeitpunkt!


Höchste Konzentration und letzte Anweisungen. D. Bingenheimer im Spiel gegen die SG RWO Alzey. Nach dem Spiel erfolgte die Mitteilung des Karriereendes an die Mannschaftskollegen. (Foto: T. Boor)

Und Deine Familie?

Meine Familie hat immer hinter mir gestanden und ist über diese Entscheidung ebenfalls sehr erfreut. Besonders meine Frau und mein Sohn haben gerade an Wochenenden immer etwas zurückstecken müssen, auch wenn sie mich häufig begleitet haben. Das wird aber zukünftig anders sein. An den Wochenenden habe ich dann viel Zeit für die Familie.

Ist ein Comeback ausgeschlossen?

Definitiv!

Sonntags um 15Uhr wird man Dich dann zukünftig nicht mehr auf der Sportanlage am Guckenberg sehen?

Natürlich werde ich ab und zu mal vorbeischauen. Aber jetzt herrscht erst einmal große Vorfreude auf die Zeit als Familienvater, der ich immer sein wollte.

Und in der ferneren Zukunft? Kannst Du dir ein Engagement im Verein vorstellen?

Erst einmal nicht. Jetzt schon darüber nachzudenken wäre auch verfrüht. Wie es dann in Zukunft sein wird, das werden wir sehen, wenn so weit ist. Vorrang hat jetzt, wie schon gesagt, meine Familie, auch wenn der Junior bereits vom Fußballfieber infiziert ist. Liegt wohl an den Genen. (lacht)


Wie der Vater, so der Sohne. Nach der 1:3-Niederlage bei Fontana Finthen zeigt "Bingo"-Junior sein Können.(Foto: T. Boor)

Der VfB plant für den 31. Mai ein Abschiedsspiel für seinen ersten Ehrenspielführer. Weißt Du schon gegen wen es geht?

Nein, ich bin auch in der vergangenen Woche von der Nachricht überrascht worden und freue mich wahnsinnig darauf. Aber es wird auch schwer werden. Zum einen der letzte Ligaauftritt vor eigenem Publikum und dann auch noch das Abschiedsspiel. So sehr ich mich auch freue, so viel Respekt und auch etwas Angst habe ich vor diesen Momenten.

Also ein lachendes und ein weinendes Auge?

(lacht) Wohl eher zwei weinende!

" kein Angebot hätte so lukrativ bzw. so gut sein können, dass ich den VfB verlassen hätte!"

Du bist dreißig Jahre jung, seit der E-Jugend, also 20 Jahre aktiver Spieler beim VfB. Seit 13 Jahren spielst Du in der ersten Mannschaft und führst das Team seit einem Jahrzehnt als Kapitän auf den Platz. Das sind Zahlen, die für sich sprechen. Eine Vereinstreue, wie sie auch im Amateurfußball auf diesem Vereinsniveau nur noch sehr selten zu sehen ist.

Das hat mit meiner Lebenseinstellung und mit meinen Prinzipien zu tun. Sicherlich gab es Angebote anderer Vereine. Aber kein Angebot hätte so lukrativ bzw. so gut sein können, dass ich den VfB verlassen hätte! Das Verhältnis zu diesem Verein ist so sehr gewachsen, das ist fast wie eine Familie. Ich weiß auch, dass nicht jeder Spieler heutzutage diese Einstellung teilt, aber der VfB war mir stets eine Herzensangelegenheit. Auch wenn ich selber dafür manchmal etwas zurückgesteckt habe. Das war es immer wert.

Gab es zurückblickend diesen einen Moment im Verein, der Dich alles andere vergessen ließ?

Ja, den gibt es. Das war als unserer ehemaliger Vorsitzender Bernd Kaufmann gestorben ist. In dieser Situation wurde mir so deutlich aufgezeigt, dass dieser Verein etwas ganz besonderes ist. In der Trauer wuchs hier alles noch etwas fester zusammen. Jeder war für den anderen da. Das war gut!

Das ist ein trauriger Anlass. Aber es gibt mit Sicherheit auch den Moment der größten Freude in Deiner Zeit als Spieler und Kapitän des VfB Bodenheim?

Natürlich gibt es den, genauer gesagt eigentlich die, denn es sind zwei ganz besondere Momente. Da ist der glückliche Zufall des Kennenlernens von Roberto Todaro. Roberto war zunächst Mitspieler, wir verstanden uns auf Anhieb gut, dann erwuchs eine ganz besondere Freundschaft und zu guter letzt ist er auch mein Trauzeuge. Rückblickend natürlich ein ganz besonderer Moment. Und sportlich ist es der Nichtabstieg aus der Verbandsliga Südwest vor drei Jahren im letzten Heimspiel gegen Pfeddersheim. Natürlich freust du dich wenn du aufsteigst, aber ganz ehrlich: Wer will denn schon absteigen? Diese immense Freude nach dem 3:2-Sieg, dieser Ballast, der von uns allen abfiel. Anschließend habe ich sehr lange mit unserem damaligen Trainer Jasmin Sinanovic zusammen gesessen - unbeschreiblich!

Zum Abschluss noch eine Frage. Gibt es aus heutiger Sicht für Dich irgendeine Entscheidung Deinerseits, bei der Du aus heutiger Perspektive anders entschieden hättest? Oder ein Erlebnis, das Du heute anders bewertest?

Eigentlich nicht, nein. Ungeklärt ist nichts und Entscheidungen, die ich getroffen habe, habe ich zum jeweiligen Zeitpunkt aus meiner Perspektive heraus auch entsprechend überzeugt getroffen. Ich habe von allen Personen, mit denen ich zusammengespielt habe und unter denen ich trainieren durfte sehr viel gelernt. Es war nicht immer einfach, aber ich bin glücklich darüber, meinen Weg so gegangen zu sein.

Vielen Dank für die Zeit, die Du Dir genommen hast. Wir sehen uns dann mit Sicherheit am
31. Mai in Bodenheim am Guckenberg, wenn wir Dich in den verdienten fußballerischen Ruhestand begleiten. Alles Gute für die Zukunft!

Aufrufe: 023.4.2014, 06:30 Uhr
Torsten BoorAutor