2024-04-24T13:20:38.835Z

Vereinsnachrichten
Der Anwalt des Aindlinger Finanzvorstands Thorsten Junker (links) unterstellt dem Staatsanwalt »Stimmungsmache«.  Foto: Ruth Ploessel
Der Anwalt des Aindlinger Finanzvorstands Thorsten Junker (links) unterstellt dem Staatsanwalt »Stimmungsmache«. Foto: Ruth Ploessel

Beim Thema Geld gab's im Vorstand öfters Zoff

Nach Spielern sagen Aindlinger Funktionäre aus +++ Ein Anwalt glaubt, dass Anklage auf tönernen Füßen steht

In den Vorstandssitzungen ist es immer wieder mal laut geworden – sogar richtig laut. Es sei dabei ganz allgemein ums Geld gegangen, berichtet der Vorstand Spielbetrieb über Interna. Nun, das kommt in vielen Vereinen vor. In diesem Fall geht es aber um den TSV Aindling und der Funktionär sagt im Zeugenstand vor dem Augsburger Amtsgericht aus. Darum will es Richterin Simone Hacker auch ganz genau wissen: Über was sei denn konkret gestritten worden?

Um das Bezahlsystem für die Bayernliga-Fußballer sei es eigentlich nicht gegangen, sagt der Zeuge. Auch nicht um Steuern. Davon hätte eh niemand eine Ahnung gehabt – außer dem Fachmann in der Runde. Der Konflikt hätte sich eben zwischen diesem Vorstand für Finanzen und den anderen Mitgliedern des Gremiums abgespielt. Nachfragen, ob bei den Finanzen alles „legal“ ablaufe, sei von dem Steuerberater immer in dominanter Art abgebürstet worden nach dem Motto: Davon versteht ihr sowieso nichts. Später habe dann niemand mehr nachgefragt. Mit den Auszahlungen an Spieler und überhaupt mit finanziellen Dingen habe er eh nie etwas zu tun gehabt, betont der Sportvorstand – ein langjähriger Macher des Vereins: „Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich war für das Sportliche zuständig.“ Das sorgt für Gemurmel im mit rund 30 Zuhörern wieder gut gefüllten Gerichtssaal.

Nach der Steuerrazzia beim TSV Aindling Ende 2011 hatten das Vorstandsmitglied und viele andere aktuelle und auch frühere Vereinsmitglieder aber sehr wohl etwas mit den Vereinsfinanzen zu tun – nicht angenehm. Gegen die Spieler, die zwischen 2003 und 2011 teilweise 10.000 Euro im Jahr und mehr verdienten, liefen Strafverfahren. Die Verfahren wurden eingestellt – bei den „Besserverdienern“ gegen vierstellige Geldauflagen. Einige mussten auch Steuern in fünfstelliger Höhe nachzahlen. Sozialkassen und Fiskus fordern jetzt 2,1 Millionen Euro vom Verein. Der kämpft in einem Insolvenzverfahren derzeit ums Überleben. Auch gegen die meisten der fünf Vorstandsmitglieder, die im Steuerprozess aussagten, ermittelte die Staatsanwaltschaft – die Verfahren wurden alle eingestellt. Teils gegen Geldauflagen, teils auch ohne. Dagegen müssen sich der aktuelle und zwei frühere Präsidenten sowie der Vorstand Spielbetrieb seit Januar vor Gericht verantworten – wegen Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug. Die vielen anderen mittlerweile abgeschlossenen Verfahren gegen Spieler und Funktionäre sind übrigens auch ein Grund, warum es nach der Razzia über vier Jahre dauerte, bis die Verhandlung eröffnet wurde. Bei einem laufenden Verfahren gegen sich hätten viele der jetzt Befragten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen können.

Geht es nach Thorsten Junker, dann bricht die gesamte Anklage der Staatsanwaltschaft wie ein Kartenhaus zusammen. Er ist Anwalt des Finanzvorstands, der im gesamten bisherigen Prozess immer mehr in den Fokus rückt. Alle Befragten, ob angeklagte Präsidenten, Spieler oder Funktionäre, berufen sich immer wieder darauf, dass man sich auf den Experten verlassen habe. Dessen generelles Signal: alles in Ordnung. Und für Verteidiger Junker ist es das auch. Springender Punkt der Anklage sei, dass es sich bei den Fußballern um Arbeitnehmer handle, so Junker in einer Erklärung zu Beginn des vierten Verhandlungstages. Genau das seien sie eben nicht und das werde er im Laufe des Prozesses auch detailliert mit weiteren Spielern als Zeugen nachweisen. Denn wenn der Aufwand (Fahrkosten, Schuhe, etc.) von der Bezahlung abgezogen werde und dann durch die Zahl der Stunden für Training, Spiele und Fahrten geteilt würde, bliebe nur ein ganz geringer Stundenlohn übrig, so Junker. Ein Großteil der Spieler, die weniger verdienten, hätten sogar unterm Strich draufgezahlt.

Im Zuge der Mindestlohn-Diskussion für Vertragsamateure habe die Bundesregierung 2015 auch klargestellt, dass es sich bei solchen Spielern eben nicht um Beschäftigte handle, die mit mindestens 8,50 Euro in der Stunde entlohnt werden müssten. Junker warf Staatsanwalt Andreas Breitschaft „Stimmungsmache“ gegen seinen Mandanten vor – der wies das postwendend zurück. Und er warnte vor einem „singulären Urteil“ in Augsburg. Das Verfahren gegen Funktionäre sei in Deutschland einmalig. Der Anwalt kritisierte massiv das Landesamt für Steuern. Das habe ein Vergleichsangebot des Vereins über 550.000 Euro mit nicht zu überbietender „juristischer Dreistigkeit“ abgelehnt.

Ein Aindlinger Kurzzeitcoach war am Montag im Zeugenstand. Die Erkenntnisse waren gering. Die Trainer werden als Freiberufler bezahlt – das ist kein Thema im Prozess. Seine Entlohnung war nicht üppig: 15 Euro für eine 45-minütige Übungseinheit plus Fahrtkosten. Die Befragung war kurz, die Anfahrt aus Norddeutschland weit. Für das Zeugengeld kommt die Staatskasse auf. Fast alle der befragten Aindlinger Vereinsfunktionäre haben auf ihre Entschädigung ausdrücklich verzichtet.

Die Prozess-Chronologie

Steueraffäre: Funktionäre stehen vor Gericht
Das »System Aindling« steht vor Gericht
Der Fußballer denkt an Netto und nicht an Steuern
Der Fußball und das leidige Geld

Aufrufe: 023.2.2016, 15:14 Uhr
Aichacher Nachrichten / Christian LichtensternAutor