2024-05-02T16:12:49.858Z

Analyse
Erstes Krisengespräch der Saison: Die Jahn-Spieler stehen nach dem Spiel in Aschaffenburg den wütenden Fans Rede und Antwort.  Foto: Gatzka
Erstes Krisengespräch der Saison: Die Jahn-Spieler stehen nach dem Spiel in Aschaffenburg den wütenden Fans Rede und Antwort. Foto: Gatzka

Beim Jahn schrillen die Alarmglocken

Obwohl die Regensburger weiter an der Spitze stehen, weht plötzlich ein rauer Wind +++ Der Klubchef fordert eine Reaktion

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Am Ende wurde es zu einem Debakel. Eine Viertelstunde vor dem Abpfiff musste Torwart Philipp Pentke zum vierten Mal den Ball aus dem Netz holen. 0:4 beim Aufsteiger Viktoria Aschaffenburg: Die knapp 200 mitgereisten Fans des SSV Jahn Regensburg reagierten und stimmten deutlich vernehmbare ,,Brand muss raus"-Sprechchöre an. Der Trainer des Fußball-Regionalligisten, dem die Rufe galten, musste damit eine bittere Erfahrung machen: Obwohl das Team immer noch auf dem ersten Platz steht, weht plötzlich ein rauer Wind.

Roberto Desch machte den Deckel drauf. Zuvor hatten schon seine Aschaffenburger Teamkollegen Salvatore Bari (19./51.) und Simon Schmidt (45.) getroffen. Mit einer solchen Packung für den Spitzenreiter hatte vor dem Spiel niemand gerechnet.

,,Es ist beschämend"

Der Jahn hatte zwar bereits die vorhergegangen vier Auswärtsspiele nicht gewinnen können, reiste aber dennoch als Tabellenführer zum Abstiegskandidaten. Für das, was sich dann abspielte, fand Jahn-Mittelfeldmann Marvin Knoll harte Worte: ,,Es ist beschämend, was wir hier heute gezeigt haben. Wir müssen uns bei jedem einzelnen entschuldigen, der,Es ist beschämend, was wir hier heute gezeigt haben. Wir müssen uns bei jedem einzelnen entschuldigen, der die weite Anreise auf sich genommen hat und hierher gekommen ist." Vier Gegentore gab es in Aschaffenburg, vier Punkte sind es aber immer noch, die der Jahn in der Tabelle Vorsprung auf den Tabellenzweiten, den 1. FC Nürnberg II hat. Alleine dafür, dass die Mannschaft oben steht, wird sie aber nicht mehr gefeiert. Die Club-Amateure etwa blamierten sich ihrerseits und verloren daheim mit 0:1 gegen den Tabellenletzten Schweinfurt. Bei einem Sieg wären sie dem Jahn mächtig auf die Pelle gerückt. So haben die Oberpfälzer aber das Glück, dass auch die Verfolger patzen.

,,Rabenschwarzer Nachmittag"

Christian Brand ging vor der Abfahrt des Mannschaftsbusses in Aschaffenburg noch ein paar Schritte im Stadion herum. In sich versunken schien er über das Spiel nachzudenken. Über die 90 Minuten, die er in der Pressekonferenz nach der Partie als ,,rabenschwarzen Nachmittag" bezeichnete. Ein Nachmittag übrigens, der auch den Klubchef auf MZ-Anfrage zu deutlichen Worten greifen lässt: ,,Es steht außer Frage, dass die Leistung unseres Regionalligateams bei Auswärtsspielen nicht dem entspricht, was wir angesichts des zur Verfügung stehenden Etats und der sonstigen Rahmenbedingungen erwarten können und müssen", sagt Hans Rothammer. ,,Ich gehe davon aus, dass bis zur Winterpause eine deutliche Reaktion durch das gesamte Team, Mannschaft und Trainer, erfolgt", meint er und lässt durchblicken, dass es auf dem Weg zum angestrebten Aufstieg keinen Kuschelkurs der Vereinsführung geben wird: ,,Wir werden die Situation sorgfältig aber konsequent analysieren und darauf aufbauend alles unternehmen, um die gesteckten Ziele zu erreichen." Welche Maßnahmen das sein könnten, lässt Rothammer offen.

So oder so wird der Verein in der Winterpause wohl den einen oder anderen Spieler verpflichten. Die Aufgabe des Trainers wird es sein, diese möglichst schnell zu integrieren. Brand muss allerdings darauf achten, dass er nichtnoch mehr zur Zielscheibe der Kritik wird. Dass er nach dem Abstieg aus der 3. Liga wenig Kredit bei den Fans hat, dürfte ihm bewusst gewesen sein. Dass es nun, obwohl der Klub auf dem ersten Platz steht, bereits ,,Brand raus"-Rufe gibt, ist dennoch überraschend. Der Hauptvorwurf der Fans ist, dass er die schwachen Leistungen bei den jüngsten Auswärtsspielen öffentlich schöngeredet habe. Auch in Aschaffenburg verwies er darauf, dass ,,der eine oder andere Spieler auf dem Zahnfleisch geht", weil man unter der Woche bereits ein Spiel gehabt habe. Die Spieler selbst übten dagegen harsche Selbstkritik: ,,Wir reden immer, wir reden viel. Aber jeder Einzelne muss seine Einstellung ändern. Wir rufen nicht das ab, was wir uns vornehmen", sagte Außenverteidiger Fabian Trettenbach. ,,Momentan haben wir auswärts eine Krise, das muss man so sagen. Wir sind selber geschockt", meinte Marcel Hofrath.

Meister ohne Hängen und Würgen

Brand geht weitaus diplomatischer vor und verweist gebetsmühlenartig darauf, dass der Jahn etliche verletzte Spieler und das Team in der Hinrunde viel Kraft gelassen habe. Er muss sich jedoch vorhalten lassen muss, dass andere Vereine der Regionalliga auch viele Verletzte und auch viele Spiele in den Knochen haben. Der SSV Jahn hatte bei seinen Heimspielen zudem im Schnitt bislang nahezu unglaubliche 8387 Zuschauer. Die Hälfte der Liga kommt im Schnitt nicht einmal auf eine vierstellige Zahl. Die Massen, die zum Jahn strömen, erwarten nicht nur, dass diese Mannschaft souverän Meister wird, sie soll es auch mit Leidenschaft und spielerischer Klasse werden. Das sind hohe Ansprüche, denen sich der Jahn aber stellen muss.
Aufrufe: 09.11.2015, 12:00 Uhr
Thomas Gottschling/Jürgen ScharfAutor