2024-05-10T08:19:16.237Z

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Selbstzufriedenheit ist ihm ein Graus bei seinen Spielern - Zlatan Bajramovic, Trainer des Bahlinger SC | Foto: Patrick Seeger
Selbstzufriedenheit ist ihm ein Graus bei seinen Spielern - Zlatan Bajramovic, Trainer des Bahlinger SC | Foto: Patrick Seeger

Bajramovic leitet beim Bahlinger SC Mentalitätswandel ein

"Leidenschaft schlägt Taktik", sagt der ehemalige Bundesliga-Profi Zlatan Bajramovic und gibt sich in puncto Spitzenplatz als Realist.

Manchmal ist es erstaunlich, wie ehemalige Fußballprofis den eigenen Spielertypus in ihre Vorstellungswelt als Trainer übertragen. Milorad Pilipovic war beim SC Freiburg und vor allem beim Karlsruher SC als feiner Linksfuß für seine Streicheleinheiten am Ball im offensiven Mittelfeld bekannt – ein echter Zehner. Als Trainer des Bahlinger SC grundierte Pilipovic seine Trainingsarbeit mit Fachliteratur über das Tiki-Taka des FC Barcelona und verwies im Aufstiegsjahr 2015 gerne darauf, wie sehr sein BSC die Oberliga-Konkurrenz mit Kurzpassspiel dominierte. Zlatan Bajramovic, ein bekennender Straßenfußballer aus Hamburg-Altona, erwarb sich beim SC Freiburg in der Ära Finke und auch bei Schalke 04 große Verdienste als unermüdliche Anschubkraft aus dem defensiven Mittelfeld – ein echter Sechser. Preisfrage: Wie sieht sein fußballerisches Ideal als Nachfolger von Pilipovic beim BSC wohl aus?

Bernhard Wiesler, der in Bahlingen den Rollentausch vom Außenverteidiger zum Teammanager vollzog, bestätigt, dass Bajramovic einen anderen Spielstil bevorzugt als sein Vorgänger, der nach dem Regionalliga-Ende zurücktrat. „Bei Zlatan steht die defensive Arbeit im Vordergrund“, erklärt Wiesler. Das funktionierte zum Saisonstart erstaunlich gut: Der Absteiger blieb in fünf aufeinanderfolgenden Spielen ohne Gegentor. Erst nach 488 Minuten musste Keeper Dennis Müller gegen Neckarsulm wieder hinter sich greifen. Dann aber gleich dreimal in Folge jeweils dreimal, weshalb Bajramovic die Formkurve der neun Oberligapartien als Achterbahn beschreibt. „Zehn Punkte sind Augenwischerei“, sagt er. „Spielerisch war das oft nicht überzeugend.“

Kann eine Mannschaft, die unter Pilipovic zweieinhalb Jahre lang vor allem in die Kunst des Offensivspiels eingewiesen wurde, nun aus einer defensiven Grundordnung erfolgreich zuschlagen? Bajramovic ist weit davon entfernt, die Stärken der Spieler zu negieren und alles beim BSC umzukrempeln. Doch er setzt mit seiner Erfahrung neue Schwerpunkte, zum Beispiel beim Gegenpressing („Die Spieler müssen situativ entscheiden, wann sie vorne draufgehen“), in Sachen Zweikampfstärke und Erfolgshunger.

Die defensive Denke erklärt nicht allein die Torflaute

„Ich war überrascht, wie schnell die Spieler zufrieden sind“, sagt der frühere bosnische Nationalspieler. Dass er seine Akteure immer wieder antreiben muss, hätte der Ex-Profi, der in der Region nach Eigenheim sucht, nicht gedacht: „Eigentlich muss ich über so etwas gar nicht reden.“ Bajramovic begreift sein Team auf dem Platz als sich verschiebende Einheit, die laufstark und lückenlos gegen den Ball arbeitet. Barcelona? Seine Referenzgröße ist eher das Kollektiv Atlético Madrid.

Bajramovic hält es für naiv, sportlichen Erfolg nur mit spielerischen Mitteln zu suchen: „Man muss die Sachen auch mal erzwingen wollen“, gibt er vor. Wenn jeder für den anderen arbeite, sei dies viel wichtiger, als sklavisch einer bestimmten Ordnung zu folgen. „Leidenschaft schlägt Taktik“, ist er überzeugt. Auf diese Art lotste ein Trainer mit Bauchgefühl wie Horst Hrubesch übrigens die deutschen Olympia-Fußballer bis ins Finale von Rio.

Dass die Bahlinger mit ganzen acht Saisontoren aktuell den zweitschlechtesten Angriff der Liga stellen, erklärt die Akzentverschiebung zugunsten der Defensive aber nur zum Teil. „Es fehlt an Qualität im letzten Drittel, auch weil wir keinen gelernten Mittelstürmern haben, der uns elf, zwölf Tore garantiert“, stellt der 37-jährige Trainer fest. Durch den verletzungsbedingten Ausfall von Serhat Ilhan und den Wechsel von Rico Wehrle zum SC Freiburg II hat der BSC-Angriff an Tempo verloren. „Serhats Qualität können wir nicht ersetzen“, räumt auch Bernhard Wiesler ein. Von jungen Fachkräften wie Mirco Barella oder den A-Jugendlichen Lennart Bauer dürfe man nicht zu viel erwarten.

Wiesler ist aber optimistisch, dass das Angriffsproblem behoben werden kann: „Viele Spieler sind jetzt aus ihrem Tief raus.“ Womöglich schwang bei dem einen oder anderen insgeheim auch Enttäuschung mit, nun nicht mehr in der vierten Liga gegen namhafte Klubs wie Kickers Offenbach, Waldhof Mannheim oder den 1. FC Saarbrücken anzutreten.

Dass Bajramovic auf vielen Positionen durchwechselte, hing auch mit der hohen Ausfallrate zusammen. Bisweilen fehlten ihm acht Spieler. Die Hoffnung bleibt, dass sich die Zahl der Verletzten in den kommenden Wochen wieder minimiert und der jüngste 2:1-Erfolg beim SV Spielberg „als Brustlöser“ (Bajramovic) wirkt. Gegen den südbadischen Konkurrenten SV Oberachern soll am Samstag der zweite Heimsieg eingefahren werden.

Und wo landet der BSC am Saisonende? Auch hier bleibt Bajramovic dem defensiven Prinzip treu. Weiterhin enthält er sich einer konkreten Zielsetzung. Als Realist mahnt er zu Vorsicht: „Es muss schon alles passen, um die ersten Drei anzugreifen.“ Im Übrigen interessiere ihn ausschließlich, was auf dem Platz geschieht. Bajramovic versichert: „Ich habe noch nicht einmal auf die Tabelle geguckt.“ Allen anderen sei verraten: Mit fünf Punkten Rückstand auf den Tabellenführer SC Freiburg II tummeln sich die Bahlinger momentan im Mittelfeld auf Platz acht.

Aufrufe: 022.9.2016, 21:05 Uhr
Matthias Kaufhold (BZ)Autor