2024-05-02T16:12:49.858Z

EM2016

BACK TO THE ROOTS!

KOLUMNE: +++ Matthias Hagner zieht EM-Bilanz +++

Das EM-Finale ist gespielt. Ich fand es nicht schlechter als das WM-Endspiel 2014. Portugal war bei den letzten Turnieren zu offensiv aufgetreten, nun ist ihre destruktivere Sieg-Taktik aufgegangen. Ein schöner Erfolg für das wirtschaftlich gebeutelte Land und seinen Superstar Christiano Ronaldo, der wahnsinnig viel an Kraft in seine Karriere investiert hat. Hass kann ich da nicht nachvollziehen. Er ist ein Spieler, an dem man sich wunderbar reiben kann.

Mit dem Abpfiff ist es auch Zeit für die Funktionäre geworden, das Turnier zu analysieren – und vor allem die richtigen Schlüsse zu ziehen.

War es etwa Zufall, dass alles vergleichsweise unspektakulär ablief? Vielleicht behält man diese EM mittelfristig gar nicht so schlecht in Erinnerung, wie sie jetzt geredet wird, aber man sollte sich bei Uefa und Fifa meiner Meinung nach schon die Frage stellen, ob man genau so weitermachen will. Damit meine ich beispielsweise die aufgeblähte Champions- und Europa League. Alles wird zum ultimativen Event aufgebauscht, bald wird es sogar montags Bundesliga-Topspiele geben. Eine Partie folgt der nächsten.

Dabei sind die Spieler keine Maschinen, sondern immer noch Menschen. Europameisterschaften und Weltmeisterschaften sollten das klare Highlight für Spieler wie Zuschauer darstellen. Dafür muss man Gelegenheit zur Erholung geben. Thomas Müller hat das kürzlich gut auf den Punkt gebracht: Er hat jetzt drei Wochen frei und muss dann wieder topfit Höchstleistung bringen. Bundesliga-Endspurt, Pokalendspiele, EM ... kein Wunder, dass er zuletzt mental wie körperlich müde erschien, allem Willen zum Trotz. Er ist kein Einzelfall – und so leidet dann das komplette Spielniveau. Mal sehen, wie lange der Fan das noch mitmacht. Die Uefa-Funktionäre dürften ihre kommerziell orientierte Turnierplanung freilich erst anpassen, wenn sich die Stadien leeren. Ich sage: Back to the roots! Guten Fußball zurück in den Vordergrund!

Den Modus mit 24 Mannschaften fand ich dabei übrigens gar nicht so schlimm. Denn Außenseiter wie Island oder Wales waren die atmosphärischen Farbtupfer dieses blassen Turniers.

Auf deutscher Seite sollte man (wie schon einmal geschrieben) gut über einen Wechsel der Spielphilosophie und der Ausbildungsschwerpunkte nachdenken. Belege für eindeutige Defizite gerade in der Offensive kann man an der Statistik ablesen. Für ein Weltmeisterteam ging vorne zu wenig. Unterm Strich war das Abschneiden der DFB-Elf aber absolut in Ordnung. Als Fan ist man da nach den letzten Jahren vielleicht etwas verwöhnt, aber derart oft unter den Top vier zu landen, ist etwas Besonderes. Und klar: Auch die Euphorie der Fans kommt nach einem WM-Titel gebremst daher. Das ist normal und wird sich wieder einpendeln. Public Viewing und Autokorsos werden ihr großes Comeback schon wieder bekommen.

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Matthias Hagner ist unser EM-Experte. Der 42-Jährige hat viele Jahre lang in der Bundesliga gespielt.



Aufrufe: 012.7.2016, 08:00 Uhr
von Matthias HagnerAutor