2024-05-10T08:19:16.237Z

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In der Gruppenliga schwer zu halten: Kai Hofem (rechts) ist beim SV 07 Nauheim Leistungsträger und Führungsspieler, Torjäger sowie Vorbereiter
In der Gruppenliga schwer zu halten: Kai Hofem (rechts) ist beim SV 07 Nauheim Leistungsträger und Führungsspieler, Torjäger sowie Vorbereiter

Ausbildung der Profikarriere vorgezogen

Kai Hofem trainierte einst in Mainz unter Thomas Tuchel, kickte neben Schürrle und Kirchhoff und heute beim SV 07 Nauheim

Man stelle sich Folgendes vor: André Schürrle hätte zu Beginn der Saison 2008/09 eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik begonnen und schnell gemerkt, dass sich die körperlich anstrengende Arbeit nicht mehr mit seinem Fußballerleben als A-Jugend-Bundesliga-Spieler des FSV Mainz 05 vereinbaren lässt. Er hätte sich für die sichere Variante Ausbildung und gegen die unsichere Zukunft als Fußballprofi entschieden und seitdem nur noch in Amateurklubs gegen den Ball getreten. Wäre Deutschland ohne den Passgeber zu Mario Götzes Finaltor gegen Argentinien überhaupt Weltmeister 2014 geworden?

Und hätte Schürrles damaliger Mainzer Sturmpartner Kai Hofem im September 2007 nicht seine Fußballerkarriere zugunsten eben dieser Ausbildung als Lagerlogistiker aufgegeben: Wäre er zum begehrten Bundesligaprofi in Mainz gereift? Wäre er für zweistellige Millionenablösen gewechselt, so wie etwa auch Ex-Mannschaftskamerad Jan Kirchhoff (AFC Sunderland)? Auf dem besten Weg zum Profi, kickt der 25-Jährige heute beim Gruppenligisten SV 07 Nauheim.

,,Bin eher der Sicherheitstyp"

Zu Beginn der A-Jugend-Saison 2008/09, die später unter dem heutigen Dortmunder Trainer Thomas Tuchel mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft enden sollte, trat Hofem seine vom Verein vermittelte Ausbildungsstelle an. ,,Dann habe ich schnell gemerkt: Beides ist vom Stress her nicht mehr machbar. Die Arbeit im Lager war körperlich sehr anstrengend", erinnert sich Hofem. Und weil ,,noch andere Sachen gelaufen sind", über die der Sturmführer der Nauheimer Gruppenliga-Fußballer nicht sprechen will, entschied er sich für die Ausbildung, statt alles auf die Karte Fußball zu setzen. ,,Die Ausbildung als festes Standbein war mir mehr wert als eine Profikarriere. Ich bin eher der Sicherheitstyp."

Hofem sagt, er bereue seine Entscheidung nicht, obwohl es seine damaligen Teamkameraden Schürrle und Kirchhoff zu Einkommensmillionären gebracht haben. ,,Ich bin kein Typ, der ständig zurückschaut und grübelt, was vielleicht hätte sein können", sagt der Kostheimer. ,,Sonst wäre ich auch nicht der, der ich bin: bodenständig, geerdet. Die Gefahr wäre groß gewesen, dass ich abhebe. Heute arbeite ich zehn Stunden im Lager und weiß danach, was ich getan habe." Immerhin, sagt Hofem augenzwinkernd, dürfe er sich ja auch Deutscher Meister nennen, stand er doch zu Beginn der Spielzeit 2008/09 noch im Mainzer A-Jugend-Kader. Und er ist sich sicher: ,,Wäre ich drangeblieben, wäre ich einer von den Tausend, die da oben richtig Geld verdienen."

Unzertrennliches Duo

Nach seinem Abschied beim FSV Mainz 05 hörte Kai Hofem, der bei der TSG Kastel 46 und beim FV Biebrich 02 das Kicken lernte, für ein Dreivierteljahr erst einmal ganz mit dem Fußball auf. Über die Stationen Fvgg. Kastel 06, TSG Wörsdorf und SG Hünstetten kam der Torjäger im Sommer vergangenen Jahres zum Gruppenliga-Aufsteiger nach Nauheim, zusammen mit seinem besten Freund und Trainer Christian Lang. ,,Ihn habe ich in Kastel kennengelernt", sagt Hofem. ,,Wir sind ein unzertrennliches Duo: Er geht nicht ohne mich zu einem neuen Verein und umgekehrt genauso."

Die Zuschauer im Nauheimer Sportpark merkten in den ersten Spielen schnell, dass hier ein Spieler das SV-07-Trikot trägt, der locker auch zwei, drei Klassen höher spielen könnte. Sein Anteil an der überraschenden Tabellenführung des Neulings aus dem Kreis Groß-Gerau ist groß. ,,Er ist einer unserer Erfolgsgaranten", sagt Christian Lang. Hofem ist Leistungsträger und Führungsspieler, Torjäger (sieben Treffer) und Vorbereiter. ,,Ich leite das Spiel auf dem Platz, gebe Anweisungen", sagt Hofem. Seine Stärken: ,,Für meine 1,89 Meter bin ich schnell, zweikampfstark, schwer vom Ball zu trennen und ein sehr guter Kopfballspieler, defensiv wie offensiv." Und die Schwächen? ,,Die Technik, der linke Fuß - und manchmal bin ich zu ehrgeizig."

Wenn es 0:3 steht, sagt Hofem, ,,will ich immer noch mindestens einen Punkt holen". Deshalb möchte sich der 25-Jährige auch nicht mit Rang zwei oder drei zufriedengeben, wenn die Nauheimer ,,fünf Spieltage vor Schluss immer noch mit drei Punkten vorne sind. Dann will ich auch die Meisterschaft feiern". Ein sicherer Mittelfeldplatz sei für den SV 07, der erstmals in seiner Vereinshistorie in der siebthöchsten Spielklasse mitmischt, zwar auch ein Erfolg. Aber ,,die starke Truppe" habe das Zeug zu mehr. ,,Es passt sehr gut, wir haben viele gestandene Fußballer und einen guten Trainer. Der Zusammenhalt ist riesig."

Entsprechend kann sich Kai Hofem gut vorstellen, über die Saison hinaus in Nauheim zu bleiben - unabhängig von der Ligazugehörigkeit. ,,Ich fühle mich dort sehr wohl. So eine Kameradschaft habe ich selten erlebt. Und ich muss mich wohlfühlen, sonst bringe ich meine Leistung nicht." Was wäre, wenn ein höherklassiger Verein anklopft? ,,Ganz ehrlich: Für den Aufwand, den man heute beispielsweise bei einem Hessenligisten hat, verdient man zu wenig."

Und wenn sich doch noch einmal eine Chance bei einem Profiklub ergäbe? ,,Ich habe meine Ausbildung ja jetzt, bin reifer geworden. Wenn ein gescheites Angebot kommt, würde ich es vielleicht noch einmal probieren und meine Arbeitsstelle aufgeben", sagt Hofem. Nach kurzer Bedenkzeit schiebt er hinterher: ,,Dann müsste ich aber die Raucherei lassen."

Aufrufe: 030.1.2016, 18:00 Uhr
Heiko WeissingerAutor