2024-04-16T09:15:35.043Z

Interview der Woche

"Auf jeden Fall eine Entwicklung erkennbar"

Babak Keyhanfar über die bisherige Saison des SV Gonsenheim +++ 2:3 gegen den FC Karbach hat Spuren hinterlassen +++ "Wenn ich sehe, was wir an 97er-, 98er- und 99er-Talenten haben, mache ich mir über die Zukunft erst einmal überhaupt keine Gedanken."

So desillusioniert wie nach dem 2:3 gegen den FC Karbach sah man Babak Keyhanfar selten. Der stürmende Cotrainer des SV Gonsenheim übernahm nach seinem vermasselten Freistoß vor dem späten 2:2-Ausgleich der Gäste die Verantwortung für die äußerst unglückliche Pleite – obwohl sich danach eine ganze Fehlerkette anschloss. Im Interview der Woche blickt der 30-Jährige auf den Saisonverlauf des Tabellenzehnten der Fußball-Oberliga zurück, spricht über seine Pläne als Trainer und kündigt eine gravierende Änderung an, was seine Spielerlaufbahn betrifft.

Babak, hast Du die letzten Minuten des Karbach-Spiels schon verdaut?

Ich habe zwei Tage gebraucht, um damit fertig zu werden und das zu akzeptieren. Aber ab Dienstag war ich wieder der Alte. Es war für mich ein ganz neues Gefühl, dass ich mich als verantwortlich für die Niederlage gesehen habe. So ein Gefühl hatte ich noch nie in meinem Leben.

Du hattest nach dem Spiel angedeutet, die Konsequenz ziehen und nicht mehr als Einwechselspieler zur Verfügung stehen zu wollen. Bleibt's dabei?

Ja. Ich mache den Job als spielender Cotrainer jetzt ziemlich genau zwei Jahre und konnte der Mannschaft eigentlich am besten weiterhelfen, wenn ich entweder von Anfang an gespielt oder 90 Minuten gecoacht und sie eingestellt habe. Das war eine klare Trennung, mit der ich am besten gefahren bin. Bei einer Halb-Halb-Lösung waren die Resultate nicht berauschend. Daher habe ich jetzt die Konsequenz gezogen und mache entweder das Eine oder das Andere.

In der vergangenen Saison hast Du Scorerpunkte gesammelt wie noch nie in der Oberliga, diese Runde klemmt es ein bisschen. Woran liegt's?

Vergangene Saison hatte ich 13 Tore und zehn Vorlagen, in der Tat so viele wie noch nie in der Oberliga. In dieser Runde bin ich permanent verletzt. Los ging es schon nach dem zweiten Spieltag, dann noch einmal ab dem zehnten. Dadurch konnte ich nie zu meiner Form finden. Es ist eigentlich das erste Mal im Aktivenfußball, dass ich länger als ein Spiel wegen einer Verletzung ausfalle. Das ist eine ganz neue Erfahrung. Vielleicht liegt es daran, dass jetzt die Drei vorne steht...

Wie lautet Dein Fahrplan, was die Aktiven- und Trainer-Karriere angeht?

Es sind ja bislang keine schwer wiegenden Verletzungen. Ich werde versuchen, das in den Griff zu kriegen, aber ich muss abwarten, wie es weiter verläuft. Ich kann jetzt noch keine Entscheidung fällen, wie es ab Sommer weitergeht. Wir werden vermutlich ab der kommenden Woche die Gespräche führen, dann sehen wir weiter.

Die Dreifachbelastung als U19-Trainer, Cotrainer und Spieler der Aktiven ist nicht ohne. Hast Du schon eine Tendenz, wie lange Du dem SVG noch in welchem Umfang die Treue halten möchtest?

Es ist sehr kraftraubend, definitiv. Aber es hat mir die letzten sechs Jahre – vier davon waren ja „nur“ in Doppelbelastung – immer sehr viel Spaß gemacht. Klar ist aber, dass das auf Jahre nicht mehr gut geht. Und dass dadurch bei jeder Tätigkeit ein paar Prozente abgezogen werden, ist auch klar. Bisher funktioniert es ja gut, aber wenn ich eine Sache voll machen würde, könnte ich noch viel mehr herausholen. Die Frage ist nur, wer fängt das dann auf? Ich werde mir über die Winterpause Gedanken machen und meine Schlüsse daraus ziehen.

Euer Manager sagte unlängst, er glaubt, dass sich der SV Gonsenheim auf Sicht sogar einen Wettbewerbsvorteil sichern kann, weil die Aktivität von Sponsoren tendenziell zurückgeht. Ihr seid, weil Ihr ohne Großsponsor auskommt und vor allem auf den eigenen Nachwuchs setzt, da weniger abhängig. Welches Potenzial siehst Du für Euren Klub?

Die Zahlen sprechen ja für sich. Ich habe gar keinen Überblick mehr, wie viele Spieler in den letzten sechs Jahren aus meiner A-Jugend in die Oberliga gekommen sind. Das ist eine große Chance für den Verein, aber auch für die jungen Spieler, die hier so einfach wie sonst kaum irgendwo zu der Gelegenheit kommen, sich in der Oberliga zu beweisen. Wenn ich sehe, was wir an 97er-, 98er- und 99er-Talenten haben, mache ich mir über die Zukunft erst einmal überhaupt keine Gedanken.

Lange Zeit wart Ihr relativ unangefochten die Nummer zwei in Mainz, jetzt scheint der TSV Schott Euch bei den Aktiven und in der Jugend allmählich zu überholen. Ein Vorteil, weil Konkurrenz das Geschäft belebt?

Überholen, das muss nachhaltig bewiesen werden. Ich sehe uns im Moment auf einer Stufe. Wir spielen in derselben Liga, haben in der Jugend beide zwei Teams in der Regionalliga. Klar sind sie uns bei der Schott finanziell und was die Möglichkeiten angeht voraus. Ich habe großen Respekt davor, was auf der Schott in den letzten Jahren für eine Arbeit geleistet wurde. Gerade von Ali Cakici, und das nicht nur, weil ich mich sehr gut mit ihm verstehe. Er leistet eine super Arbeit, das sieht jeder. Die Konkurrenz ist ein Riesen-Vorteil, weil man sich direkt mit dem Stadtteilrivalen messen kann, das ist für beide Seiten belebend, eine sehr positive Rivalität.

Und eine, die ohne wildes Abwerben auskommt...

Das hatten Ali und ich bei Euch im Interview vor zwei Jahren ja auch angekündigt, und es hat sich bestätigt – bei den Aktiven und auch in der Jugend, da läuft alles absolut geregelt ab.

Wie beurteilst Du die aktuelle Entwicklung Eurer Mannschaft, welche Lernfortschritte sind in der Hinrunde gelungen, wo klemmt es noch?

Auf jeden Fall ist eine Entwicklung erkennbar. Wir haben eine komische Saison gespielt, sehr gut am Anfang, dann stark abgebaut und uns zuletzt wieder gefangen. Eigentlich ist das der typische Verlauf für eine junge Mannschaft. Wir sind sehr stark von unseren Leistungsträgern abhängig, um die herum wir den jüngsten Kader gebaut haben, den es je beim SV Gonsenheim gab. Wir haben in der Hinrunde positive wie negative Erfahrungen gesammelt, aus denen wir lernen wollen. Die Erfahrung kannst Du Dir eben nicht kaufen, die musst Du sammeln. Ein großes Problem sind die vielen Verletzten. Da müssen wir über die Trainingssteuerung und die medizinische Betreuung gegensteuern.

Habt Ihr denn jetzt endlich einen Physio?

Nein. Bisher schicke ich die Spieler zu Jens Strußenberg, dem Spezialisten bei der Schott.

Welche Ziele hast Du Dir in Deiner Trainer-Karriere gesetzt?

Ich habe definitiv ambitionierte Ziele, für die ich aber die Voraussetzungen mitbringen muss. Die besteht erst einmal in der A-Lizenz. Dann kann ich mir über die anderen Dinge Gedanken machen. Wie weit es geht, wird sich zeigen, aber ich arbeite akribisch daran, dass ich einmal vom Trainerberuf leben kann.

Wenn Du tippen solltest, wo Ihr am Ende der Saison landet und wie lange der SV Gonsenheim noch in der Oberliga bleiben kann, was würdest Du sagen?

So lange unsere Jugend ambitioniert auf dem aktuellen Niveau Fußball spielt, mache ich mir keine Sorgen. In dieser Saison geht es nur um den Klassenerhalt. Ich denke, wenn wir da landen, wo wir aktuell stehen, würde das jeder unterschreiben. Wir arbeiten darauf hin, so früh wie möglich alles klar zu machen.

Aufrufe: 04.12.2015, 06:30 Uhr
Torben SchröderAutor