"Zu einem Teil bin ich selbst schon überrascht", gesteht Trainer Michael Roß ein. Er musste nach dem knapp verpassten Wiederaufstieg in die Landesliga den Abgang praktisch aller Routiniers hinnehmen: Maik Hoppe, Marc Mallwitz, Markus Raue und Yonis Tercan verabschiedeten sich in die Reserve, Kapitän Daniel Müller hörte ganz auf - und Torjäger Maurice Rybacki versuchte sein Glück beim Landesligisten 1. FC Kleve. "Ich hätte nicht gedacht, dass die Mannschaft sich so schnell so gut findet", sagt Michael Roß. Freilich hatte er auch schon in den Spielzeiten zuvor zunehmend auf junge Akteure gesetzt, weshalb der Umbruch jetzt im Kader gar nicht so radikal ausfiel, wie es durch die Abgänge den Anschein hatte.
"Eine Tür schließt sich, eine andere geht dann halt auf", beschreibt Roß das Prinzip. Beispiel: Auf der Linksverteidigerposition wurde durch Marc Mallwitz' Rückzug eine Planstelle frei. Die füllte Norman Renner, im Vorjahr mit acht Einsätzen Ergänzungsspieler - nun stand er in allen bisherigen neun Partien auf dem Platz. "Er setzt seine Aufgaben sehr gut um", lobt der Coach den 28-Jährigen, der damit übrigens tatsächlich der Oldie im Kader ist. Die meisten Viktoria-Akteure wurden erst in den 90er-Jahren geboren.
Dies schien auch so ein Problem zu sein: das Fehlen von Routine und Abgeklärtheit. Im ersten Saisonspiel, das mit 2:3 gegen Mülheim 07 verloren ging, war das dem Team auch durchaus noch anzumerken: Bei aller Freude am Spiel mangelte es an einer ordnenden Hand. Doch Michael Roß kann mit dem jugendlichen Leichtsinn im Prinzip leben: "Mir ist es immer lieber, wenn sie versuchen, eine Situation über Kurzpassspiel zu lösen statt durch einen unkontrollierten Befreiungsschlag. Es bringt uns nichts, nur auf hohe Bälle zu setzen. Außerdem bekommt man davon nur Nackenprobleme . . ."
In völlige Euphorie verfallen Verantwortliche und Spieler am Karl-Dölzig-Platz durch den Sprung auf Platz eins nicht. "Beim Training am Dienstag war niemand irgendwie arrogant. Es ist bei uns total ruhig, wie vor dem ersten Spieltag", berichtet Michael Roß. Die zwischenzeitliche Serie von sechs Siegen in Folge weiß er auch einzuordnen: "Natürlich hätte davon auch manches mit einem Unentschieden enden können. Insgesamt muss ich aber auch zugeben, dass ich mir die Liga unangenehmer vorgestellt hatte." Von neuen Zielen will der Coach aber noch nicht sprechen: "Wir wollen weiterhin unter die ersten Fünf kommen und so lange wie möglich oben mitmischen. Wenn wir weiter gute Leistungen zeigen, wird das auch funktionieren."