2024-04-16T09:15:35.043Z

Vereinsnachrichten
Gernot Kehr vom SV Holtsee reiste zum FC Dallas
Gernot Kehr vom SV Holtsee reiste zum FC Dallas

Andere Länder, andere Sitten

Gernot Kehr berichtet vom Stadionbesuch des FC Dallas, der aufgrund eines texanischen Gewittersturms historisch lang werden sollte

Mit einem Kumpel reiste ich nach Dallas, um die erste Playoff-Runde der NBA und die Dallas Mavericks mit Dirk Nowitzki zu sehen. Da Dallas neben einem Baseball-, Football- und dem genannten Basketballteam auch einen erfolgreichen Fußballklub hat, holten wir uns Karten für ein Heimspiel des FC Dallas gegen den Toronto FC.

Der FC Dallas war gut in die Saison gestartet und konnte vor allem im heimischen Stadion überzeugen. Der Toronto FC gilt als Titelfavorit und reiste mit bekannten Spielern wie Michael Bradley, Sebastian Giovinco und Jozy Altidore an.

Wir fuhren sehr früh zum Stadion, um uns einen Überblick über das Gelände und die Parkplatzsituation zu verschaffen. Bereits am Parkplatz wurden wir zum ersten Mal Zeugen einer typisch amerikanischen Tradition. Bereits zwei Stunden vor Spielbeginn hatten sich überall auf dem Parkplatz Gruppen gebildet, die vor ihren Autos Grillpartys veranstalteten. Mitten auf dem Parkplatz wurden Campingstühle und Grills aufgestellt und Bier getrunken. Einen weiteren Unterschied zu Spielen der Bundesliga stellten die Besucher des Fußballspiels dar. Sehr viele Familien waren anwesend und Gästefans konnte man an zwei Händen abzählen, bei einer Strecke von 2200 km konnte man dies den Gästen aber nicht vorwerfen.

Nach einem kurzen Rundgang durch das Stadion setzten wir uns auf unsere Plätze auf Höhe der Mittellinie und warteten den Countdown auf der Anzeigetafel ab. 10 Minuten vor Spielbeginn ging das Spektakel los. Fans, die vorher einen Rundgang auf dem Spielfeld machen konnten, begrüßten die Spieler beim Einlaufen auf das Spielfeld und klatschten noch einmal freundlich ab. Vor den Spielern rannte das heimische Maskottchen, ein roter Bulle, mit einer Fahne des Heimteams mit dem Spruch „Dallas till I die“ auf das Feld und heizte die Stimmung an. Nachdem sich die Spieler aufgestellt hatten, folgte das traditionelle Singen der Nationalhymne. Alle Spieler und Zuschauer standen und blickten in Richtung der Nationalflagge und sangen die Hymne mit. Da an diesem Tag nicht nur ein amerikanisches Team spielte, sondern auch ein kanadisches Team, wurden beide Nationalhymnen gesungen. Wer zu diesem Zeitpunkt noch nicht verstanden hatte, dass die Amerikaner ihre Sportspiele ein wenig anders zelebrieren, sollte mit einem kleinen Feuerwerk zu Beginn des Spiels überrascht werden.

Nach so einem Spektakel vor Spielbeginn erhofften wir uns natürlich, dass das Spiel ähnlich aufregend sein würde. An dieser Stelle möchte ich schon einmal vorweg nehmen, dass es das erwartete Spektakel werden würde.

Der Gast aus Toronto hatte Anstoß und verlor den Ball in der Vorwärtsbewegung bereits nach wenigen Sekunden. Dallas nahm Fahrt auf, kombinierte sich über 3 Stationen nach vorne und schoss auf gegnerische Tor. DRIN!!! Bereits nach 29 Sekunden führten die Gastgeber. Die etwa 10.000 Fans jubelten und konnten es kaum fassen, so früh gegen diesen starken Gegner in Führung zu gehen. In der 10. Minute durften die Fans ein weiteres Mal jubeln. Wieder führte ein schneller Gegenangriff über wenige Stationen zum Torerfolg. Toronto konnte dem nichts entgegensetzen und kam mit seinen Angriffen stets 20 Meter vor dem Tor zum Stehen. In der 27. Minute fiel dann das dritte Tor für das Heimteam. Unstimmigkeiten in der Abwehr der Gäste führte dazu, dass Perez allein vor dem Torwart nur noch locker einschieben mussten.

Nationalhymnen, Feuerwerk, ein Tor nach 29 Sekunden und eine 3:0 Führung des Heimteams in der 27. Minute. Konnte dieses Spiel noch spektakulärer werden? Ja, konnte es.

Ab der 35. Minute begann es leicht zu tröpfeln und wir wunderten uns, dass die Hälfte der Zuschauer von ihren Sitzen aufsprang und Schutz suchte. Wir blieben natürlich sitzen und verfolgen das Spiel bis zur 43. Minuten von unseren Sitzen aus. In dieser Minute lief ein Stürmer der Heimmannschaft einschussbereit auf das gegnerische Tor zu und wurde beim Schuss auf seltsame Weise irritiert. Die Flutlichtmasten fielen teilweise aus und leuchteten nur noch zur Hälfte. In der Dunkelheit verzog der Stürmer und der Ball landete weit hinter dem Tor.

Zu diesem Zeitpunkt rechneten wir damit, dass die technische Panne schnell behoben und das Spiel direkt fortgesetzt wird. Dass wir insgesamt 5 ½ Stunden nach Spielbeginn immer noch im Stadion sitzen würden, ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Der Schiedsrichter unterbrach das Spiel bei Minute 42:55 und schickte die Spieler in den Kabinentrakt. Den Zuschauern wurde über die Lautsprecheranlage mitgeteilt, dass das Spiel auf unbestimmte Zeit unterbrochen wird, da ein Gewittersturm, der in der Region Texas häufiger vorkommt, direkt über dem Stadion sein Unwesen treibt. Verdutzt guckten wir uns gegenseitig an und beobachteten wie alle Zuschauer ihre Plätze verließen.

Plötzlich begann es zu stürmen und zu gießen. Alle Zuschauer sollten Schutz suchen und warten bis das Gewitter weitergezogen war. Wir stellten uns unter und wurden nach 10 Minuten darauf hingewiesen, dass wir uns lieber zum Auto begeben sollten, da es dort sicherer sein würde. Wir und etwa weitere 500 Zuschauer ließen sich vom Wetter nicht abbringen und blieben im Stadion. Die amerikanischen Fans handelten hier nach der Devise: „solange noch Bier ausgeschenkt wird, ist alles gut“. Wir konnten auf einem Fernseher ein Basketballspiel verfolgen und warteten auf weitere Ansagen des Stadionsprechers. Dieser meldete sich jedoch erst nach zirka 2 Stunden mit der Ansage, dass nach einer 20-minütigen Aufwärmphase das Spiel weitergeführt wird. Diese Aufwärmphase begann jedoch erst 30 Minuten später. Der Kapitän des Gästeteams, Michael Bradley, setzte alles daran den Schiedsrichter zu überzeugen nicht mehr anzupfeifen, doch alle Versuche waren erfolglos.

Das Spiel, welches um 19:30 begonnen hat und um 20:12 unterbrochen wurde, wurde um 22:50 fortgesetzt. 3 Stunden lang harrten 500 Fans bei Regen und Sturm aus um sich dann anzusehen, wie die Teams, die restlichen 2 Minuten der 1.Halbzeit nachspielten, um dann wieder 15 Minuten Halbzeitpause zu machen. Die restlichen Fans nahmen dies jedoch sehr locker auf und machten nach der langen Pause und dem üblen Wetter immer noch Späße. Die Geburtstagskinder, alles Kinder unter 14 Jahren und nicht mehr im Stadion, wurden in der Halbzeit auf der Anzeigetafel gezeigt und ausgerufen. Bei den ausgerufenen Namen stand immer wieder ein anderer Zuschauer auf und ließ sich als Geburtstagskind feiern. Bemerkenswert wie die Fans sich nicht die Laune verderben ließen.

Nach der Halbzeit wurde das Spiel sehr träge. Bis zur 80. Minute gab es so gut wie keine Torchancen und nennenswerte Szenen. In den letzten 10 Minuten sollten es dann noch einmal spannend werden. Giovinco, ehemaliger italienischer Nationalspieler, ließ seine Klasse aufblitzen und erzielte zwei wunderschöne Tore. Dennoch reichte es nicht mehr, sodass ein 3:2 Erfolg für das Heimteam heraussprang. So ein Spiel hatten wir noch nie gesehen und wird uns vermutlich immer im Gedächtnis erhalten bleiben.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch die großartige Leistung des Stadionsprechers, der in der Unterbrechung für die Musikauswahl zuständig war. Er ließ sich seine gute Stimmung nicht verderben und spielte Hits wie „It´s raining men“, „I love the rainy night“ und „Singing in the rain“.

Alles in allem ein hervorragender, sehr langer Fußballabend.

Aufrufe: 029.4.2015, 14:00 Uhr
Gernot KehrAutor