2024-05-10T08:19:16.237Z

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Trainingsauftakt 1968: Trainer Fritz Schollmeyer lässt jonglieren. Foto: Ronald Friese (Archiv)
Trainingsauftakt 1968: Trainer Fritz Schollmeyer lässt jonglieren. Foto: Ronald Friese (Archiv)

Ambitioniert, chaotisch, altersmilde

Die turbulente Geschichte eines Fusionsvereins. Von großen Plänen, Lizenzentzug, Kuba-Krise, Siebtklassigkeit und später Seriosität. In der 2. Bundesliga war der Sportpark Nord rappelvoll. Mit seinen verwegenen Kuba-Plänen hielt der BSC die Weltpresse auf Trab

Nach dem Schlusspfiff gab's kein Halten mehr. Ungläubiges Staunen, Tränen, Jubeltrauben. Bayern München mit 4:2 geschlagen, Deutscher Meister geworden. Eine Geschichte von Ruhm und Ehre, Geld und Erfolg?Eher nicht, denn Frauenfußball wurde vielerorts noch belächelt. Trotzdem adelt dieser Titel, gewonnen 1975 im Bad Godesberger Pennenfeldstadion, bis heute den Briefkopf des Bonner SC. Ansonsten ist die Geschichte des Vereins keine wirklich ruhmreiche, mehr eine traurige, geprägt von ambitionierten Aufbrüchen und tragisch-sympathischem Scheitern.


Die Meistermannschaft des BSC 1975 im Pennenfeld-Stadion mit dem Star Beverly Ranger (vorne links). Foto: Ronald Friese (Archiv)

Wäre der BSC ein Mensch, wäre er wohl ein Rock'n Roller. Einer, der in der Jugend breitbeinig mit Lederjacke durch die Gegend gelaufen ist und gerne mal auf dicke Hose gemacht hat. Der ein paar Mal den Durchbruch vor Augen hatte, aber dann doch scheiterte. Unkonventionell und rebellisch. Nie normal und immer für eine Verrücktheit gut.

Aber auch Rock'n Roller werden älter. Um die 50 stellt sich in der Regel eine gewisse Milde ein, manchmal sogar Seriosität. Der BSC macht da keine Ausnahme. Schon seit einigen Jahren verursacht der Verein weder Skandälchen noch Skandale, wirtschaftet kaufmännisch und kommt sportlich in kleinen Schritten voran, auch wenn der Aufstieg in die Regionalliga gerade knapp verpasst wurde. Seit Hans Viol, der ebenso spendable wie chaotische Vorsitzende, dem Verein 2010 den Rücken kehrte, herrscht Ruhe. In diesen Tagen machen sie beim BSC allerdings eine Ausnahme, denn der Sport-Club wird ein halbes Jahrhundert alt. Am 18. Juni 1965 fusionierten BFV und TuRa zum Bonner SC 01/04.

Bonn und der Fußball - das war nie eine Liebesheirat gewesen. Kein Verein, der mal in die deutsche Spitze vorgedrungen wäre, allenfalls der kleine SV Beuel 06 ging in den 30er Jahren kurzzeitig als große Nummer durch. Jetzt aber sollte alles besser werden: TuRa und BFV, Bündelung der Kräfte, eins plus eins macht zwei, der BSC also doppelt so stark? Es gab einen Moment, da schien das möglich.


Artig für den Fotografen in Position gelegt: Trainer Gert Burkhardt und einige BSC-Spieler 1969 im Gronau-Stadion.

Als der Club 1976 in die 2. Bundesliga aufstieg, kamen zum ersten Heimspiel gegen Fortuna Köln 12.000 Zuschauer. Nach 31 Minuten führte der BSC durch Tore von "Ela" Hoffmann und Werner Grau mit 2:0 gegen den Ex-Bundesligisten. So hatten die Gründerväter sich das vorgestellt. Am Ende aber stand es 2:3, und ganz am Ende stand der Lizenzentzug. Der erste überhaupt im deutschen Profifußball. Fortan kickte die Truppe meist dritt- oder viertklassig, galt dennoch immer wieder als schlafender Riese, stürzte aber 2010 nach einem erneuten Insolvenzverfahren sogar bis in die siebtklassige Landesliga. Heute ist Bonn mit seinen gut 300.000 Einwohnern die größte deutsche Stadt, die nie in der 1. Bundesliga vertreten war.

An Versuchen, etwas auf die Beine zu stellen, hat es allerdings nie gemangelt. Einmal machte der BSC sogar weltweit Schlagzeilen. Ende 1998 flog Präsident Hans Viol mit dem damaligen Trainer Rainer Thomas nach Kuba, um einen verrückt-verwegenen Plan in die Tat umzusetzen. Die komplette kubanische Nationalelf sollte für den BSC in der Oberliga auflaufen.

In Havanna wurde die Delegation aus Bonn beinahe wie Staatsgäste behandelt. Man stellte ihnen einen 24-Stunden-Dolmetscher zur Verfügung, sie verhandelten mit dem Sportministerium, Viol wandelte mit dem ehemaligen Leichtathletik-Olympiasieger Alberto Juantorena über die Fußballplätze der Hauptstadt. Fehlte nur, dass sich Fidel Castro höchstselbst eingeschaltet hätte.


Ein Bild, das wirklich um die Welt ging: Der kubanische Stürmer Yomber Aguado nach einem Tor für den BSC.

Zu Hause war derweil die Hölle los. Zeitweise kamen mehr Kamerateams als Spieler zum Training. Spiegel, Frankfurter Allgemeine, Libération, BBC - alle platzten vor Neugier. Kuba, Castro, Sozialismus, Fußball, Bonn. Diese Assoziationskette beflügelte die Fantasie. Einige Monate später kamen die Kubaner tatsächlich nach Bonn. Sie wohnten in einem Hotel auf der Kölnstraße, wurden ein wenig herumgereicht, und ein halbes Dutzend von ihnen machte erste Oberligaerfahrungen.

Aber dann schaltete sich Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes ein, ein ausgewiesener Kuba-Freund, der dem darbenden Inselstaat hin und wieder humanitäre Hilfe hatte zukommen lassen. Weil Antwerpes eine gewisse Sklavenhandel-Mentalität witterte, gestaltete sich die Sache mit der Aufenthaltsgenehmigung zunehmend aussichtslos. Am Ende vereinbarte der BSC mit den Kubanern lediglich eine Kooperation, die nie mit Leben gefüllt wurde. Was blieb? Vladimir Alejo. Ein Spieler, der sich in Bonn verliebte und hier auch heiratete.

Viel Rauch um nichts - eine Überschrift für die gesamte Ägide Viol. 1995 hatte der Unternehmer als weitgehend unbeschriebenes Blatt den Vorsitz von Heinz-Helmich van Schewick übernommen. Man wusste nur, dass er viel Geld mit Marmor und Granit in Simbabwe verdiene. Unbescheiden verkündete Viol, er wolle den BSC wieder in die 2. Liga führen.


Hans Viol

Saison für Saison steckte er fortan 500.000 Euro in den Club, verschliss die Trainer im Jahrestakt und sorgte auch im Kader für eine beispiellose Fluktuation. Mit dem Ergebnis, dass es nie wirklich voranging. Oft beklagte Viol, dass ihm niemand helfe. Nicht die Stadt und schon gar nicht die finanzkräftigen Bonner Unternehmen. Aber mit dem unberechenbaren Mann, der seinen Club wie ein Patriarch führte, wollte sich niemand einlassen.

Der Vorsitzende war Segen für den BSC, weil er den Verein - als einziger in Bonn - mit großem finanziellen Einsatz am Leben erhielt. Und er war gleichzeitig Fluch, weil er viele abschreckte, die sonst vielleicht geholfen hätten. Am Ende hat das Modell Viol den Verein in den Ruin getrieben. Schon lange wurde der Mann, der knapp 15 Jahre das Gesicht des Vereins war, nicht mehr im Sportpark gesehen. Es heißt, er habe sich beruflich neu aufgestellt und mache sein Geld weiterhin mit Steinen.

Dass der BSC bei der Bonner Wirtschaft allenfalls bis ins Vorzimmer gelangte, mussten jedoch schon andere vor Viol erfahren. Selbst in den Gründungstagen, als der Verein vor Prominenz schier platzte. Dem Ehrenpräsidium gehörten unter anderem Konrad Adenauer, Erich Mende und Carlo Schmid an. Einen dauerhaften Aufschwung garantierte aber selbst das nicht. Im Winter, wenn die Einnahmen ausblieben, wurde es stets eng. Erst ohne, dann mit Viol.

Zwar stieg der neue Club am Ende seiner ersten Saison durch mehrere Hintertüren umgehend in die damals zweitklassige Regionalliga West auf, doch trotz teils hochkarätiger Verstärkungen entwickelte sich der BSC schnell zur Fahrstuhlmannschaft. 1966 kam mit Horst Mühlmann, Uwe Kleina, Dieter Lömm und Werner Grau gleich ein Quartett von Schalke 04; 1968 wechselte mit Horacio Troche ein uruguayischer Nationalspieler aus Aachen in die Gronau. Selbst der Umzug in den lukrativeren Sportpark Nord half dem Verein 1970 nicht weiter. Obwohl in diesem Jahr mit Hannes Bongartz das vielleicht größte Bonner Talent überhaupt debütierte, stand am Ende der Saison wieder einmal der Abstieg aus der Regionalliga.


Vor dem Preußen-Tor: Helmut Bergfelder am 11. Mai 1969 im Spiel gegen Münster (5:1).

Vielleicht wäre einiges anders gekommen, wenn der Deutsche Fußball-Bund wenige Jahre später ein Auge zugedrückt hätte. Am Ende der Zweitligasaison 1976/77 stand der BSC - von außen betrachtet - eigentlich prima da. Sportlich war die Rettung gelungen; nicht selten waren 10.000 Zuschauer oder mehr gekommen; Spieler wie Pedro Milasincic, Wolfgang Thier, Nobby Lenzen, Uli van den Berg oder "Ela" Hoffmann versprachen viel für die Zukunft. Aber im Grunde lagen Fluch und Segen schon damals ganz nah beieinander: Am letzten Spieltag traf ausgerechnet Uli Surau zum entscheidenden 1:0 gegen Bayer Leverkusen. Ein Spieler, der von Borussia Mönchengladbach gekommen war, wegen zahlreicher Verletzungen kaum spielte, aber angeblich netto kassierte, was er brutto bekommen sollte.

Dieses Finanzgebaren kostete den BSC später vor den DFB-Gremien den Kopf. Andere, wie Kickers Offenbach und 1860 München, waren höher verschuldet, aber nur dem BSC wurde eine Sanierung nicht zugetraut.

Heute ist der Verein schuldenfrei und spielt eine gute Rolle in der fünftklassigen Mittelrheinliga. Nahziel ist der Aufstieg in die Regionalliga und vielleicht - eines fernen Tages - der Sprung noch eine Klasse höher. Das Wort "2. Liga" ist schon lange keinem BSC-Verantwortlichen mehr über die Lippen gekommen.


Als Spielerfrauen noch Spielerfrauen und keine C-Promis aus der Welt der Privatsender waren: Im März 1968 in der Gronau.

18. Juni 1965: TuRa Bonn und Bonner FV fusionieren zum Bonner SC 01/04. Neben Fußball werden Leichtathletik, Basketball und Sportschießen betrieben. 1966 kommt Tischtennis, 1967 Rugby hinzu.

21. August 1965: Im ersten Meisterschaftsspiel schlägt Verbandsligist BSC die Amateure von Bayer Leverkusen in der Gronau mit 2:1.

Sommer 1966: Mit Werner Grau, Dieter Lömm, Uwe Kleina und Torhüter Horst Mühlmann präsentiert Regionalliga-Aufsteiger BSC vier Neuzugänge von Schalke 04.

9. August 1967: In einem Freundschaftsspiel schlägt der BSC Europapokalsieger Bayern München mit 3:1. Vor 8000 Zuschauern schießen Lambertz und zweimal Koep die Tore. Ein gewisser Gerd Müller kann nur noch verkürzen.

9. März 1969: Beim Heimspiel gegen Arminia Bielefeld kommentiert Stadionsprecher Engelbert Scheu den Treffer zum 0:2-Endstand: "2:0 für Bielefeld, erneut durch ein Abseitstor." Der DFB sperrt Scheu für ein Jahr.

23. August 1970: Der BSC ist umgezogen. Im ersten Meisterschaftsspiel im Sportpark Nord feiert der Club einen 4:2-Erfolg über Bundesliga-Absteiger Alemannia Aachen nach 0:2-Rückstand.

Juni/Juli 1972: Vielbeachtete Reise in die Sowjetunion mit Spielen in Leningrad (2:3), Wolgograd (4:2) und Simferopol (0:7)
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Die Frauen gewinnen die Deutsche Meisterschaft

15. Juni 1975: Im Bad Godesberger Pennenfeld-Stadion werden die Frauen des Clubs Deutscher Meister durch ein 4:2 gegen Bayern München.

17. Juni 1976: Zum Aufstiegsrundenspiel in die 2. Liga gegen den 1. FC Bocholt kommen 14.000 Zuschauer - bis heute Rekord.

21. Mai 1977: Durch ein 1:0 gegen Bayer Leverkusen (Tor: Surau/Elfmeter) schafft der BSC den Klassenerhalt in der 2. Liga - sportlich.

10. Juli 1977: Der DFB entzieht dem BSC als erstem deutschen Fußballverein aus wirtschaftlichen Gründen die Lizenz.

November 1995: Der Unternehmer Hans Viol übernimmt den Vorsitz beim BSC und gibt als Ziel die 2. Liga aus. Unter Viol kommt der BSC nie auch nur in die Nähe dieser Region, sorgt aber einmal sogar weltweit für Schlagzeilen:

Dezember 1998: Viol plant, die kubanische Nationalelf für den BSC auflaufen zu lassen. Einige Karibikkicker dribbeln tatsächlich durch den Sportpark, aber nach großem Tamtam versandet die Sache schließlich.

Sommer 2010: Viol zieht sich und sein Geld aus dem Verein zurück. Der BSC stürzt in die siebtklassige Landesliga - der Tiefpunkt.

18. Juni 2015: Der BSC hat alles überlebt und feiert einigermaßen heiter seinen "50.".

Der BSC feiert

l Freitag, 26. Juni, ab 19 Uhr: Rheinschifffahrt mit der Filia Rheni für Ehemalige, Sponsoren und Helfer.

l Samstag, 25. Juli, ab 13 Uhr: Sommerfest des Bonner SC auf dem Bonner Friedensplatz.

l Donnerstag, 13. August, ab 19 Uhr: Ehrenamtsabend des BSC im Biergarten Rheinaue zum Konzert von Sir Williams (für 100 ehrenamtliche Helfer des Vereins).

Aufrufe: 018.6.2015, 10:01 Uhr
General-Anzeiger / Gert auf der HeideAutor