2024-05-02T16:12:49.858Z

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32 Spiele, 22 Siege, ein Aufstieg: Die Mannschaft des TSV Kornburg feierte im Mai 2015 den Aufstieg in die Landesliga, im Mai 2016 könnte ihnen schon der nächste gelingen. F: Zink
32 Spiele, 22 Siege, ein Aufstieg: Die Mannschaft des TSV Kornburg feierte im Mai 2015 den Aufstieg in die Landesliga, im Mai 2016 könnte ihnen schon der nächste gelingen. F: Zink

Am Anfang war die Bratwurst ...

Nicht nur für die Stadt Nürnberg, auch für die Nürnberger Nachrichten ist der TSV Kornburg die Mannschaft des Jahres 2015

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Am Anfang war die Bratwurst. Oder zumindest der, der sich nicht wie eine solche behandeln lassen woll­te. „Ich bin doch keine dahergelaufe­ne Bratwurst“, ließ Alexander Conta­la noch ausrichten, nachdem man ihm in Kornburg mitgeteilt hatte, den Auf­stieg in die Landesliga künftig ohne ihn schaffen zu wollen. Dass sie dieses Großprojekt dann tatsächlich noch in derselben Saison umgesetzt haben, ist eine einigerma­ßen erstaunliche Geschichte und hat auch mit dem Ende der Bratwursthaf­tigkeit in Kornburg zu tun.

Der frühere Clubspieler Contala stammt eigentlich aus dem Schwäbi­schen, was in Franken neben Dürer, Lebkuchen und seinem ehemaligen Arbeitgeber als größtes Kulturgut gilt, hat er aber natürlich verinner­licht. Sein sprachliches Idiom hat er sich dagegen auch in seiner Zeit beim 1. FC Nürnberg bewahrt, das ließ sich sehr eindrucksvoll nachhören, als er im Sommer 2014 in sehr blumigen und sehr schwäbisch gefärbten Worten be­schrieb, wie er aus dem TSV einen Landesligisten machen wolle und dass noch viel Arbeit vor ihm liege, da ihm seine Vorgänger auf dem Trainer­posten tatsächlich nicht mehr hinter­lassen hätten als eine ordentliche Be­zirksliga- Mannschaft.

Und nur um diese Frage ging es im Nürnberger Süden ja schon seit vielen Jahren: Hat der TSV Kornburg das Potenzial, auch endlich einmal den Sprung in die Landesliga zu schaffen oder bleibt er ein ewiger Bezirksligist, weil diese Spielklasse für den Verein genau die richtige ist?

Die Frage haben sie im Mai 2015 dann recht eindeutig beant­wortet, der Weg dort­hin ist aber — wie so oft bei erfolgreichen — einer, der mit einigen Umwegen, mit Niederlagen und Zwei­feln verbunden war. Und es ist eine Entwicklung, die eben erst mit der Entlassung von Alexander Contala als Trainer des TSV Kornburg Fahrt auf­genommen hat.

Vor der Saison hatten sie Contala verpflichtet, weil er seinen recht pro­minenten Namen mitbrachte, vor allem aber, weil er die fachliche Taug­lichkeit nachgewiesen hatte. Mit Her­zogenaurach war er eben erst in die Bezirksliga aufgestiegen, jetzt durfte es für beide Seiten noch etwas mehr sein.

Der Verein sprach von Ambitionen, Contala widersprach nicht und ver­suchte, diesen Ambitionen vor allem mit der Forderung nach Disziplin Aus­druck zu verleihen. Wer nicht mitzie­hen wollte, fand sich bald in der zwei­ten Mannschaft wieder, oder nicht ein­mal dort. Der Abteilungsleitung berei­tete das zunehmend Sorgen — es galt, das Leistungsgefälle zwischen den bei­den Teams nicht zu groß werden zu las­sen, so etwas wie Spieler-Suspendie­rungen schien ihnen in Kornburg wenig praktikabel, also entließen sie im November 2014 nach 17 gemeinsa­men und durchaus erfolgreichen Auf­tritten lieber den Trainer. „Wenn die zweite Mannschaft in der A-Klasse spielen würde, wäre das ja kein Pro­blem. Aber wir müs­sen schauen, dass wir die Kreisliga als Unter­bau für unsere Bezirks­liga- Mannschaft hal­ten“, sagte Achim Kokott, der Abtei­lungsleiter, dieser Zei­tung und fragte: „So viele Spieler haben wir nicht. Oder soll ich etwa spielen?“

So weit wollten sie es an der Keller­mannstraße nicht kommen lassen — Kokott musste sich kein Trikot anzie­hen, auch keine Stutzen überstreifen oder Stollenschuhe binden, aber er gab fortan an der Seitenlinie den Ton an. Dort, wo gerade noch Contala schimpfend an der Werbebande ge­lehnt hatte, stand mit Kokott — Desig­nerbrille, Trenchcoat, Schal, kein Trai­ningsanzug — nun einer, der gar nicht den Eindruck erwecken wollte, dort mehr Zeit als nötig zu verbringen. „Bis zur Winterpause werde ich erst mal die Mannschaft weiter trainie­ren“, sagte Kokott, dann wollte er einen Nachfolger für Contala präsen­tieren. Aus einem Monat wurden am Ende sechs.

Als die Zuschauer an der Keller­mannstraße unter den Bäumen neben dem Fußballplatz schon wieder Schat­ten suchten, lehnte an der Werbeban­de neben der Kornburger Trainer­bank immer noch Achim Kokott, den Schal und den Trenchcoat hatte er inzwischen abgelegt. Unter Contala war der TSV nach einem starken Sai­sonstart bis auf Platz fünf abge­rutscht, unter der Aufsicht des Abtei­lungsleiters setzte er zu einem beein­druckenden Lauf an. Neun Siege und ein Unentschieden verbuchten die Kornburger, bevor sie sich wieder ein­mal an das fast schon verloren ge­glaubte Gefühl einer Niederlage ge­wöhnen mussten, doch auch davon lie­ßen sie sich nicht nachhaltig beeindru­cken.

Hinten hielt Oliver Harnos den Kas­ten weitgehend sauber, davor etablier­te sich ein guter Mix aus jungen und erfahrenen Spielern, vorne trafen die beiden polnischen Stürmer Szymon Pasko (25 Tore) und Michal Nowak (20 Tore), wie sie wollten — all das zeichnete die Kornburger Erfolgsmi­schung aus.

Am 28. Spieltag eroberten die Korn­burger die Tabellenführung zurück, an der sie sich am zehn­ten Spieltag schon ein­mal hatten erfreuen dürfen. Diesmal währ­te das Vergnügen län­ger, der TSV gab den direkten Aufstiegs­platz nicht mehr her, am 17. Mai durften sie an der Keller­mannstraße die großen Vorbilder imi­tieren: Kornburgs Fußballer tanzten über ihren grünen Rasen, verschütte­ten Bier und zogen sich Aufstiegs­T-Shirts über — so, wie man das inzwi­schen am Ende einer jeden Saison irgendwo auf den Fußballplätzen die­ser Welt beobachten darf. Es sind Bil­der, derer man vor allem beim Ama­teursport nie überdrüssig wird, weil hier in jeder Sekunde echte Freude zu spüren ist und weil hier ein verschütte­ter Kasten Bier noch eine andere Bedeutung hat als der Weißbierdu­schen- Automatismus in der Arena in Fröttmaning. Sie hatten es tatsächlich geschafft. Der TSV Kornburg war endlich ein Landesligist.

Nürnbergs neues Tor-Phantom Szy­mon Pasko erklärte in gebrochenem Deutsch, wie ihm so viele Treffer ge­lungen waren, und erinnerte dabei ein wenig an den Marek Mintal, der An­fang des neuen Jahrtausends in die Stadt gekommen war. Edelfan Erich Deinzer, der vor Saisonbeginn die Tri­büne mit modernen Sitzbänken hatte ausstatten lassen, vor dem ersten Heimspiel 5000 Freikarten im Süden Nürnbergs verteilen ließ und den 400 Besuchern, die dann gekommen wa­ren, ein Bratwurstbrötchen spendier­te, freute sich wie ein kleiner Schuljunge, der die Hoffnung auf die Versetzung in die nächste Klasse schon aufgegeben hatte. Und Achim Kokott durfte diesen schönen Satz sagen: „Die Saison hat mich viele Ner­ven gekostet.“

In Kornburg ist er nicht der Einzige gewesen, dem es so gegangen ist, wes­halb aus dem Langzeit-Interimstrai­ner Kokott nach dem geglückten Auf­stieg dann doch wieder der Abtei­lungsleiter Kokott wurde. Mit Her­bert Heidenreich konnte man erneut einen früheren Clubspieler für den Trainerposten gewinnen, allerdings einen, dem man nicht sportliche Sach­kenntnisse nachsagt, sondern auch eine gute Menschenführung. In Mön­chengladbach unter dem Trainer Udo Lattek, so hat das Heidenreich dieser Zeitung erzählt, hat der Spieler Hei­denreich viel über Fußball, aber auch viel über das Leben gelernt. Das zahlt sich jetzt offenbar aus.

Nach dem Aufstieg in die Landesli­ga schickt sich der TSV Kornburg an, dieser Spielklasse nicht lange treu zu bleiben. Nach der Hinrunde stehen sie auf einem sensationellen zweiten Platz, den TSV Buch und Dergahspor, die beiden anderen Nürnberger Vertre­ter in der Landesliga, haben sie bei ihrem Debüt gleich hinter sich gelas­sen, die Mannschaft hat sich verän­dert, aber Szymon Pasko trifft immer noch, wie er will. Im kommenden Frühling könnte sich an der Keller­mannstraße das oben beschriebene Schauspiel wiederholen.

In der Vorbereitung auf die Saison 2016/17 hat sich der 1. FC Nürnberg zu einem Testspiel angekündigt. In Kornburg wird es dann wohl wieder Bratwürste geben, die Bratwursthaf­tigkeit ist dort allerdings längst ver­schwunden. Diese Erfolgsgeschichte ist noch lange nicht vorbei.

Aufrufe: 030.12.2015, 13:05 Uhr
Sebastian Gloser (NN)Autor