Der frühere Clubspieler Contala stammt eigentlich aus dem Schwäbischen, was in Franken neben Dürer, Lebkuchen und seinem ehemaligen Arbeitgeber als größtes Kulturgut gilt, hat er aber natürlich verinnerlicht. Sein sprachliches Idiom hat er sich dagegen auch in seiner Zeit beim 1. FC Nürnberg bewahrt, das ließ sich sehr eindrucksvoll nachhören, als er im Sommer 2014 in sehr blumigen und sehr schwäbisch gefärbten Worten beschrieb, wie er aus dem TSV einen Landesligisten machen wolle und dass noch viel Arbeit vor ihm liege, da ihm seine Vorgänger auf dem Trainerposten tatsächlich nicht mehr hinterlassen hätten als eine ordentliche Bezirksliga- Mannschaft.
Und nur um diese Frage ging es im Nürnberger Süden ja schon seit vielen Jahren: Hat der TSV Kornburg das Potenzial, auch endlich einmal den Sprung in die Landesliga zu schaffen oder bleibt er ein ewiger Bezirksligist, weil diese Spielklasse für den Verein genau die richtige ist?
Die Frage haben sie im Mai 2015 dann recht eindeutig beantwortet, der Weg dorthin ist aber — wie so oft bei erfolgreichen — einer, der mit einigen Umwegen, mit Niederlagen und Zweifeln verbunden war. Und es ist eine Entwicklung, die eben erst mit der Entlassung von Alexander Contala als Trainer des TSV Kornburg Fahrt aufgenommen hat.
Vor der Saison hatten sie Contala verpflichtet, weil er seinen recht prominenten Namen mitbrachte, vor allem aber, weil er die fachliche Tauglichkeit nachgewiesen hatte. Mit Herzogenaurach war er eben erst in die Bezirksliga aufgestiegen, jetzt durfte es für beide Seiten noch etwas mehr sein.
Der Verein sprach von Ambitionen, Contala widersprach nicht und versuchte, diesen Ambitionen vor allem mit der Forderung nach Disziplin Ausdruck zu verleihen. Wer nicht mitziehen wollte, fand sich bald in der zweiten Mannschaft wieder, oder nicht einmal dort. Der Abteilungsleitung bereitete das zunehmend Sorgen — es galt, das Leistungsgefälle zwischen den beiden Teams nicht zu groß werden zu lassen, so etwas wie Spieler-Suspendierungen schien ihnen in Kornburg wenig praktikabel, also entließen sie im November 2014 nach 17 gemeinsamen und durchaus erfolgreichen Auftritten lieber den Trainer. „Wenn die zweite Mannschaft in der A-Klasse spielen würde, wäre das ja kein Problem. Aber wir müssen schauen, dass wir die Kreisliga als Unterbau für unsere Bezirksliga- Mannschaft halten“, sagte Achim Kokott, der Abteilungsleiter, dieser Zeitung und fragte: „So viele Spieler haben wir nicht. Oder soll ich etwa spielen?“
So weit wollten sie es an der Kellermannstraße nicht kommen lassen — Kokott musste sich kein Trikot anziehen, auch keine Stutzen überstreifen oder Stollenschuhe binden, aber er gab fortan an der Seitenlinie den Ton an. Dort, wo gerade noch Contala schimpfend an der Werbebande gelehnt hatte, stand mit Kokott — Designerbrille, Trenchcoat, Schal, kein Trainingsanzug — nun einer, der gar nicht den Eindruck erwecken wollte, dort mehr Zeit als nötig zu verbringen. „Bis zur Winterpause werde ich erst mal die Mannschaft weiter trainieren“, sagte Kokott, dann wollte er einen Nachfolger für Contala präsentieren. Aus einem Monat wurden am Ende sechs.
Als die Zuschauer an der Kellermannstraße unter den Bäumen neben dem Fußballplatz schon wieder Schatten suchten, lehnte an der Werbebande neben der Kornburger Trainerbank immer noch Achim Kokott, den Schal und den Trenchcoat hatte er inzwischen abgelegt. Unter Contala war der TSV nach einem starken Saisonstart bis auf Platz fünf abgerutscht, unter der Aufsicht des Abteilungsleiters setzte er zu einem beeindruckenden Lauf an. Neun Siege und ein Unentschieden verbuchten die Kornburger, bevor sie sich wieder einmal an das fast schon verloren geglaubte Gefühl einer Niederlage gewöhnen mussten, doch auch davon ließen sie sich nicht nachhaltig beeindrucken.
Hinten hielt Oliver Harnos den Kasten weitgehend sauber, davor etablierte sich ein guter Mix aus jungen und erfahrenen Spielern, vorne trafen die beiden polnischen Stürmer Szymon Pasko (25 Tore) und Michal Nowak (20 Tore), wie sie wollten — all das zeichnete die Kornburger Erfolgsmischung aus.
Am 28. Spieltag eroberten die Kornburger die Tabellenführung zurück, an der sie sich am zehnten Spieltag schon einmal hatten erfreuen dürfen. Diesmal währte das Vergnügen länger, der TSV gab den direkten Aufstiegsplatz nicht mehr her, am 17. Mai durften sie an der Kellermannstraße die großen Vorbilder imitieren: Kornburgs Fußballer tanzten über ihren grünen Rasen, verschütteten Bier und zogen sich AufstiegsT-Shirts über — so, wie man das inzwischen am Ende einer jeden Saison irgendwo auf den Fußballplätzen dieser Welt beobachten darf. Es sind Bilder, derer man vor allem beim Amateursport nie überdrüssig wird, weil hier in jeder Sekunde echte Freude zu spüren ist und weil hier ein verschütteter Kasten Bier noch eine andere Bedeutung hat als der Weißbierduschen- Automatismus in der Arena in Fröttmaning. Sie hatten es tatsächlich geschafft. Der TSV Kornburg war endlich ein Landesligist.
Nürnbergs neues Tor-Phantom Szymon Pasko erklärte in gebrochenem Deutsch, wie ihm so viele Treffer gelungen waren, und erinnerte dabei ein wenig an den Marek Mintal, der Anfang des neuen Jahrtausends in die Stadt gekommen war. Edelfan Erich Deinzer, der vor Saisonbeginn die Tribüne mit modernen Sitzbänken hatte ausstatten lassen, vor dem ersten Heimspiel 5000 Freikarten im Süden Nürnbergs verteilen ließ und den 400 Besuchern, die dann gekommen waren, ein Bratwurstbrötchen spendierte, freute sich wie ein kleiner Schuljunge, der die Hoffnung auf die Versetzung in die nächste Klasse schon aufgegeben hatte. Und Achim Kokott durfte diesen schönen Satz sagen: „Die Saison hat mich viele Nerven gekostet.“
In Kornburg ist er nicht der Einzige gewesen, dem es so gegangen ist, weshalb aus dem Langzeit-Interimstrainer Kokott nach dem geglückten Aufstieg dann doch wieder der Abteilungsleiter Kokott wurde. Mit Herbert Heidenreich konnte man erneut einen früheren Clubspieler für den Trainerposten gewinnen, allerdings einen, dem man nicht sportliche Sachkenntnisse nachsagt, sondern auch eine gute Menschenführung. In Mönchengladbach unter dem Trainer Udo Lattek, so hat das Heidenreich dieser Zeitung erzählt, hat der Spieler Heidenreich viel über Fußball, aber auch viel über das Leben gelernt. Das zahlt sich jetzt offenbar aus.
Nach dem Aufstieg in die Landesliga schickt sich der TSV Kornburg an, dieser Spielklasse nicht lange treu zu bleiben. Nach der Hinrunde stehen sie auf einem sensationellen zweiten Platz, den TSV Buch und Dergahspor, die beiden anderen Nürnberger Vertreter in der Landesliga, haben sie bei ihrem Debüt gleich hinter sich gelassen, die Mannschaft hat sich verändert, aber Szymon Pasko trifft immer noch, wie er will. Im kommenden Frühling könnte sich an der Kellermannstraße das oben beschriebene Schauspiel wiederholen.
In der Vorbereitung auf die Saison 2016/17 hat sich der 1. FC Nürnberg zu einem Testspiel angekündigt. In Kornburg wird es dann wohl wieder Bratwürste geben, die Bratwursthaftigkeit ist dort allerdings längst verschwunden. Diese Erfolgsgeschichte ist noch lange nicht vorbei.