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Giovanni Misaine war bei der Fortuna als akribischer Coach bekannt., Foto: rainer dahmen
Giovanni Misaine war bei der Fortuna als akribischer Coach bekannt., Foto: rainer dahmen

Abschied des Aufbauhelfers

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Giovanni Misaine führte die U 19 von Fortuna Köln von der Bezirksliga-Relegation in die Bundesliga. In der vergangenen Woche beurlaubte der Klub den Trainer, der das Nachwuchskonzept der Fortuna reformierte. Sein Nachfolger steht bereits fest.

Köln. Im Sommer 2007 brannte die Sonne auf den Aschenplatz des SV Refrath, Staubwolken waberten durch die Luft und drohten die A-Jugend des SC Fortuna Köln sprichwörtlich zu ersticken. Mit 1:2 verlor die Fortuna das Hinspiel der Bezirksliga-Relegation. Während die erste Mannschaft des Klubs nach abgewendeter Insolvenz den Wiederaufstieg in den Profifußball plante, stand die U19 vor dem Abstieg in die sportliche Bedeutungslosigkeit.

Es war keine leichte Aufgabe, die Giovanni Misaine damals von seinem Vorgänger Ralf Schlösser übernahm, doch er löste sie: Misaine, damals 28 Jahre alt, gewann in seinem zweiten Spiel als A-Jugend-Trainer der Fortuna das Rückspiel gegen Refrath mit 6:1 und schaffte den Klassenerhalt. Es herrschte Festtagsstimmung am Südstadion, die Getränke gingen aufs Haus und Klaus Ulonska, damals erst seit einigen Monaten Vorsitzender, hielt eine Rede: „Für unsere Fortuna”, sang er beinahe, „ist das ein wichtiger Tag”.

Man muss den Begriff „Ära” sparsam verwenden, doch er beschreibt Misaines Laufbahn als Coach der Fortuna treffend. Der gebürtige Holländer, zu Zweitligazeiten selbst Jugendspieler in der Südstadt, führte die U19 des Klubs von den Abgründen der Bezirksliga bis in die Bundesliga. Nun, knapp sieben Jahre später, endete die Ära — unrühmlich: In der vergangenen Woche wurde Misaine beurlaubt, die A-Jugend steckt im Abstiegskampf in der Mittelrheinliga. „Dass es so endet, habe ich mir natürlich nicht gewünscht”, sagt Misaine. „Aber es ist für mich persönlich, für den Verein und für die Mannschaft jetzt das Beste.”

Übungsleiter — diese Bezeichnung schien Misaine wie auf den Leib geschneidert. Er stand als Trainer vor allem für Disziplin — sie sei ein Rezept für den Erfolg, erklärte er einmal in einem Interview. Misaine verlangte von seinen Spielern nicht weniger als die volle Identifikation mit den Zielen des Vereins, mit dem Geist der Mannschaft und zuletzt mit seinem taktischen Konzept. Damit machte er sich nicht nur Freunde: Nach Läufen mit Pulsuhren während der Vorbereitung, stundenlangen Taktikschulungen und Einzelgesprächen verließ mancher Spieler kopfschüttelnd den Verein.

Doch die Zustimmung derer, die blieben — und der Erfolg — gaben ihm Recht. Zweimal in sechs Jahren stieg er auf, zudem fungierte er von 2009 bis 2013 zusätzlich als Sportlicher Leiter der Nachwuchsabteilung und entwickelte ein Konzept, das den Unterbau des Klubs professionalisierte.

Der Aufstieg in die Bundesliga wird zum Höhe- und Wendepunkt

Doch der Höhepunkt seines Schaffens war gleichermaßen der Wendepunkt. Nahezu konkurrenzlos führte er die Fortuna 2011 zur Meisterschaft in der Mittelrheinliga, mit elf Punkten Vorsprung vor Verfolger Viktoria Köln und knüpfte mit dem Aufstieg in die Bundesliga an längst vergessen geglaubte Junioren-Regionalliga-Zeiten an. Doch bereits vor der Saison 2012/2013 dachte er an seinen Abschied. Und die Pläne wurden konkreter, nachdem er den direkten Wiederabstieg nicht abwenden konnte. „Es ist auch sehr viel Stress gewesen”, erklärt Misaine. Jeden freien Tag sei er unterwegs gewesen, um neue Spieler zu sichten, Gegner zu beobachten. Schließlich blieb auch dem Vorstand nicht verborgen, dass Misaine nicht wie früher regelmäßig das Training unterbrach, um seinen Spielern jedes Detail seiner Fußballphilosophie einzutrichtern.

Dass er nicht mehr penibel auf Pünktlichkeit achtete — dass sich ein Schlendrian einschlich. „Wir vermissen diesen strengen, akribischen Trainer” — mit diesen Worten sprach Jugendleiter Norbert Ludwig Misaine im Winter an, nach einer enttäuschenden Hinrunde in der Mittelrheinliga. „Wenn ihr etwas ändern wollt, dann müsst ihr jetzt reagieren”, habe er geantwortet sagt Misaine.

Seinen Abschied hatte er da schon anvisiert, denn er war unzufrieden: Im Gegensatz zu den Jahren davor, hatte er im Sommer 2013 nicht alle Freiheiten gehabt, die Mannschaft nach seinem Wunsch zusammenzustellen. Nach fünf Spielen in der Rückrunde und dem Fall auf den letzten Tabellenplatz folgte nun die Reaktion, gegen die sich der Vorstand im Winter noch gewehrt hatte: Die einvernehmliche Trennung. „Wir bedauern diesen Schritt”, sagte Ludwig, „doch die Sorge um die Qualifikation für die Mittelrheinliga hat uns dazu bewegt.”

Ludwig selbst, der sportliche Leiter der zweiten Mannschaft Stefan Puczynski und Lizenztrainer Uwe Koschinat führten die Mannschaft am Samstag interimsmäßig zu einem 4:0 (2:0)-Sieg gegen Viktoria Frechen, ein Befreiungsschlag im Abstiegskampf. Misaine schlenderte derweil durch die Innenstadt, den Spielstand verfolgte er auf seinem Handy.

Die Jacke mit dem Fortuna-Logo und dem Akronym „G.M.” auf der Brust trägt Misaine noch immer. „Es fällt schwer, loszulassen”, sagt er. Misaine will erstmal ein paar Wochen durchschnaufen, dann kann er sich einen neuen Job vorstellen, im Nachwuchs- oder Seniorenbereich. Sein Nachfolger — dem Vernehmen nach der Bergisch Gladbacher Nachwuchstrainer Koray Gökkurt, wie Koschinat am Sonntag erklärte — habe einen einfachen Job, wie Misaine meint: „Das Gerüst steht.” Er muss es ja wissen, denn er hat es schließlich gebaut.

Aufrufe: 031.3.2014, 12:40 Uhr
Kölner Stadt-Anzeiger / Sebastian FischerAutor