2024-05-02T16:12:49.858Z

Vereinsnachrichten

20 Jahre Potsdamer Kickers 94

Wie aus einer Trotzreaktion einer der erfolgreichsten Potsdamer Fußballvereine wurde.

1994 war auch im Fußball einiges anders als heute. Bis auf eine Strukturreform - die gab es schon damals: zwei Jahre zuvor wurden die ehemaligen Kreise Nauen und Potsdam zum Fußballkreis Havelland-Mitte zusammengefasst.

Zu dieser Zeit war die Gründung eines neuen Fußballvereins noch nicht alltäglich - Umbenennungen waren an der Tagesordnung, da vier Jahre nach Auflösung der DDR die BSG-Namen wie Traktor, Dynamo, Post, Vorwärts u.v.a. überholt oder nicht mehr gewünscht waren. Da wurde die „Schnapsidee“ der jungen Spieler beim SSV Turbine Potsdam eher mitleidig belächelt und unter jugendlicher Naivität abgetan. Unzufrieden über das, was da ihrer Meinung nach beim Waldstadtverein falsch lief, beschlossen André Berger, Sascha Glanz, Andreas Große, Alex Haase, Stephan Ranz sowie Ronny & Maik Senger nach reiflicher Überlegung, ihren eigenen Verein zu gründen. Als sie am 17.April 1994 "Nägel mit Köpfen" machten, gab man diesen "Potsdamer Kickers 94 e.V." ein, maximal zwei Jahre.

Die Jungs stürzten sich voller Elan in ihre neue Aufgabe, rekrutierten Freunde, Bekannte und Kollegen und im Sommer trafen sich 15 Verrückte zum ersten gemeinsamen Training am Neuen Palais.


Der Optimismus der ersten Monate grenzte schon fast an Größenwahn, bestätigt auch durch die ersten Testspiele, welche durchgängig gewonnen werden konnten - darunter auch das Prestigeduell gegen Turbine. Als dann auch noch das erste Punktspiel am 28.08.94 gegen Falkensee/Finkenkrug III, einem der Mitfavoriten in der 2.KK, mit 10:0 gewonnen wurde, stand der Durchmarsch eigentlich schon fest. Wären da nicht die Unwägbarkeiten des Fußballs. Gegen Groß Behnitz (9.) konnte zweimal nicht gewonnen werden und der spätere Aufsteiger aus Perwenitz ließ die jungen Wilden mit ihrer ganzen Routine auflaufen. Mit Platz 2 am Ende, immerhin mit besten Angriff (107) und Angreifer (Alex Haase 32) im ganzen Fußballkreis, wurde es nichts mit dem Aufstieg. Wie auch in den Folgejahren, immer wieder wurde er knapp verfehlt.

Erst 1998 konnte unter Trainer René Günther souverän der Weg in die 1.Kreisklasse genommen werden. Nach Platz 5 im ersten Jahr ging es aber zunächst noch nicht weiter aufwärts - aus den verschiedensten Gründen. Die Qualität des Kaders reichte in der Breite noch nicht, dazu kamen Einflüsse von außen, als die Stadt das Thälmann-Stadion wegreißen ließ und die Kickers ein Jahr über fast alle Sportplätze der Stadt tingeln mussten.


Zu diesem Zeitpunkt war das Projekt „Potsdamer Kickers“ schon längst keine trotzige-kleine-Jungen-Schnapsidee mehr. Aus dem „wir machen unser eigenes Ding und zeigen es allen“ wurde ein Projekt, der schneller wuchs, als es sich die Gründer jemals ausgemalt hätten. Denn bereits im zweiten Jahr ging es mit drei Mannschaften an den Start, 1996 waren es schon acht; vier davon im Nachwuchs bei B- bis E-Junioren. Inzwischen, im zwanzigsten Jahr, haben die Kickers 20 Mannschaften und dazu eine Freizeitsportabteilung, aus 20 Mitgliedern sind knapp 450 geworden.


Zurück zu den Anfängen - es dauerte nach der Gründung nicht einmal ein Jahr, bis sich den Kickers eine Gruppe fußballverrückter Kids um Axel Heeren anschloß, welche am Spielbetrieb teilnehmen wollten. Aus dieser Truppe, die in ihrer ersten Saison 95/96 noch viel Lehrgeld zahlen sollte, entwickelte sich im Laufe der Jahre der erfolgreichste Jahrgang der Kickers. Angefangen vom D-Junioren-Meistertitel 1998, und dem in der C ein Jahr später, bis zum Landesliga-Aufstieg der Männer 2009 - der Kern der Mannschaft blieb derselbe. Stefan Teichmann, Julian Heeren, Andy Noack, Christof Harms und Torben Affeldt gehörten zu jenen Mannschaften, welche die ersten Titel holten, sich etwas später neu zusammenfanden (jetzt u.a. mit Tobias Krüger, Christian Schneider und Maik Ullmann) und weitere Erfolge feierten.

Der Kickers-Nachwuchs wuchs kontinuierlich, gebremst nur kurzzeitig, als dem Verein von der Stadt Potsdam das Zuhause gestohlen wurde. Immer mit dabei die Gründungs“väter“ des Vereins Stephan Ranz, Ronny Senger, Sascha Glanz und in den Anfangsjahren auch André Berger. Sie wollten genau das in die Tat umsetzen, was ihnen bei Turbine gefehlt hat - daß die Ergebnisse der guten Nachwuchsarbeit ihre Chancen im Männerbereich bekommen. Bei den Kickers gab es diese - von den ca. 300 Spielern, die in den Männermannschaften bisher zu Einsatz kamen, entwuchsen weit über ein Drittel dem eigenen Nachwuchs. Im aktuellen Landesklassen-Kader stehen 20 ehemalige Nachwuchskicker. Inzwischen müssen sich die Verantwortlichen viel einfallen lassen, um dem großen Andrang Herr zu werden. 15 Nachwuchsmannschaften sprengen den Rahmen des inzwischen völlig überalterten Sportplatzes an der Kirschallee bei weitem. Und nicht nur der viel zu kleine Platz hält dem Wachstum nicht mehr stand - das damals zugesagte Sozialgebäude fehlt an allen Ecken und Enden. Nur den Eltern und Unterstützern ist es zu verdanken, dass es an der "Kirsche" zu so etwas wie Fußball-Flair kommt. Dem Vereinsleben abträglich ist auch die räumliche Trennung von Nachwuchs und Ersten und Zweiten Männer, die aus sportlichen und infrastrukturellen Gründen an den Luftschiffhafen zogen.



Sportlich scheinen die beiden ehemaligen Vorzeigemannschaften ihren Zenit inzwischen überschritten zu haben. Ausgerechnet im entscheidenden Qualifikationsjahr vor der Strukturreform erleben die Kickers-Männer ihren sportlichen Tiefpunkt. Vergessen die Höhenflüge zwischen 2006 und 2010, als es in die Landes- und Kreisliga hoch ging, als der Kreispokal fünfmal in Folge gewonnen werden konnte. Inzwischen geht es um die bloße sportliche Existenz in Landesklasse und Kreisliga, das Konzept mit dem eigenen Nachwuchs hat seine Grenzen erreicht. Jetzt gilt es zunächst einmal, die Klassen zu halten, um dann auf die in einigen Jahren heranreifenden starken Jahrgänge zu bauen. Die Jahrgänge, die inzwischen wieder fleißig Titel sammeln. Dazu ist natürlich eine sportliche Perspektive nötig - auch dafür ist es wichtig, nicht abzusteigen.

Morgen werden die Kickers 20 Jahre alt, gehören zu den etablierten Fußballvereinen in Potsdam. Von den sieben jungen Spielern, die den Verein ins Leben riefen, sind noch drei im Verein tätig. Stephan Ranz und Ronny Senger sind inzwischen als Trainer erfolgreich, Sascha Glanz ist immer noch aktiv und feierte als Spielertrainer zuletzt seinen 500. Pflichtspieleinsatz. Auch wenn der ganz große Traum als Aktive für die drei nicht in Erfüllung ging, können sie doch stolz auf das sein, was sie mit der Vereinsgründung in Gang gesetzt haben. Viele hundert Kinder haben ihre ersten Schritte mit dem Ball bei den Kickers gemacht. Das eine oder andere Talent hat die Nachwuchsabteilung wieder verlassen: Jan Löhmannsröben über Hertha BSC zu Wacker Nordhausen, Clemens Koplin über den SVB 03 zum HFC, Dimar Ronis über den LFC zum FC Stahl z.Bsp..


Oder auch Jan Seidel, der bei den Kickers Titel gewann und seine ersten Schritte als Schiri machte - inzwischen ist er sogar international im Einsatz. Viele hundert Eltern haben sich eingebracht, waren Trainer, Fahrer, Fan und Schiedsrichter, haben gewaschen, gekocht und gebacken. Für viele ist der Verein, den die sieben jungen Männer damals für sich gegründet hatten, eine zweite Heimat geworden.

Herzlichen Glückwunsch, Potsdamer Kickers, alles Gute für die kommenden schweren Wochen und weiter so in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.


von: Sylvio Posselt

Aufrufe: 016.4.2014, 14:57 Uhr
Christof HarmsAutor