2024-06-14T14:12:32.331Z

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Der enttäuschte Kristian Gaudermann vom VfB 1900 Gießen steht sinnbildlich für doie Niederlagen der beiden mittelhessisshen Topteams in der Spitzenspielen der Hessen- und Verbandsliga. 	Foto: Ben
Der enttäuschte Kristian Gaudermann vom VfB 1900 Gießen steht sinnbildlich für doie Niederlagen der beiden mittelhessisshen Topteams in der Spitzenspielen der Hessen- und Verbandsliga. Foto: Ben

2:0 für Rhein-Main gegen Mittelhessen

HESSENLIGA / VL MITTE: +++ Rückblick auf die Topspiele Watzenborn-RW Frankfurt und VfB 1900 Gießen-Kelsterbach +++

GIESSEN. Am Wochenende der Spitzenduelle in Hessenliga und Verbandsliga Mitte entschieden im Vergleich der Tabellenführer mit den direkten Verfolgern die Gästeteams aus dem Rhein-Main-Gebiet den Kampf mit Mittelhessen mehr oder weniger klar für sich. Hatte es Teutonia Watzenborn-Steinberg beim 1:4 am Samstag gegen Rot-Weiß Frankfurt mit einem insgesamt übermächtigen Gegner zu tun, der hochverdient die Punkte entführte, gab es im Gießener Waldstadion eher einen Vergleich auf Augenhöhe, den allerdings Viktoria Kelsterbach gegen den VfB 1900 dank entscheidenender Vorteile für sich entschied. Beide Verliererteams bleiben zwar in der Spitzengruppe ihrer Ligen, sind aber im Kampf um den Titel erst einmal zurückgefallen.

,,Wir haben nicht den Druck, aufzusteigen", relativierte Teutonen-Trainer Daniel Steuernagel die Enttäuschung über die 1:4-Niederlage, die durch den verschossenen Foulelfmeter noch klarer hätte ausfallen können. Aber wer den Grundschullehrer während der eigentlich der Erholung dienenden Ferienzeit temperamentvoll und engagiert, aufbrausend und korrigierend über 94 Minuten am Spielfeldrand erlebt hat, der weiß, dass ihn die Niederlage schmerzte.

Aber ein Angriffsduo, das nicht nur in der hessischen Oberliga seinesgleichen suchen dürfte, machte den Unterschied zugunsten des alten und nun noch souveräneren Spitzenreiters. Was allein Cem Kara, Varol Akgöz, die nicht umsonst die Liga-Torjägerliste mit 13 bzw. 12 Treffern anführen, sowie Ko Sawada auf den Rasen an der Neumühle an Angriffsaktionen zauberten, begeisterte auch die vielen neutralen Zuschauer unter den 1200. Viele von diesen werden angesichts der Aussicht auf solch attraktiven Fußball wiederkommen. Insofern war diese Partie Werbung für den Fußball in bester Bedeutung. Und lieferte die hoffnungsvolle Erkenntnis, dass solch vergleichsweise großes Zuschauerinteresse doch noch möglich ist, wenn Außergewöhnliches ansteht.

Auch für die Gastgeber, die keineswegs enttäuschten, aber nach Wochen des Erfolges erkennen mussten, wo noch Steigerungspotenzial besteht. Die Abwehr um den erfahrenen und stellungssicheren, aber nicht schnellsten Michael Bodnar reagierte auf die technisch versierten Ballpassagen und Schussvariationen der flinken und trickreichen RW-Angreifer manchmal zu behäbig und unentschlossen. Und wenn bewährte Akteure wie Barbaros Koyuncu oder Gino Parson nicht so recht ins Spiel kommen, fehlen auch für den Angriff Ideen und Unterstützung. ,,Watzenborn hat es viel mit langen Bällen versucht, aber da waren wir darauf vorbereitet", wissen die Gegner, wie auch RW-Coach Cimen, dass die hohen Bälle auf Rafael Szymanski abgefangen werden müssen.

Dabei sei ausdrücklich festgehalten: hier spielten zwei die Aufsteiger gegeneinander! Wobei die Frankfurter als Verbandsliga-Süd-Zweiter den Sprung in die Hessenliga erst über die Relegation gegen Mitte-Verbandsligavize Kelsterbach geschafft hatten. Jetzt hat Cimen eine multikulturelle Mannschaft zusammen, die durch geschickte Einkäufe, effektive Jugendarbeit und momentan fünfmaliges wöchentliches Training zu einem ersten Anwärter auf die Regionalliga geworden ist.

Da denken der VfB 1900 Gießen und Viktoria Kelsterbach noch in anderen Dimensionen. Wenn auch in beiden Lagern nach oben geschielt wird. Bei Kelsterbach nicht verwunderlich, wenn man die Viktoria in ihrer letzten, dominant geführten Saison und erst recht in der laufenden Verbandsligarunde beobachtet hat. Im Falle des VfB 1900 scheint da noch ein längerer Weg bevorzustehen. Was VfB-Trainer Daniyel Bulut nach dem 2:0-Sieg der Viktoria genau so sieht: ,,Das war ein gutes Verbandsligaspiel, auch von uns. Der Unterschied zu Kelsterbach war nicht so groß, aber die Mannschaft ist weitgehend seit Jahren zusammen und eingespielter. Da waren Kleinigkeiten entscheidend." Allerdings hat der 34-Jährige auch gemerkt, dass ,,der Gegner einen Tick cleverer, reiferer, entschlossener und handlungsschneller war."

Aber wenn der Ball vor dem 0:1 nicht so unglücklich vor VfB-Keeper Dusan Olujic aufspringt, der dann den Abstaubertreffer passieren lassen musste, hätte die Partie auch anders verlaufen können. Chancen zur Gießener Führung waren durchaus da. Auf jeden Fall schöpft Bulut für seine Mannschaft auch aus der Niederlage ,,Selbstvertrauen und Hoffnung für den Rest der Saison", die ja erst ein Drittel hinter sich hat. ,,Noch ist nichts entschieden", gibt Bulut zu bedenken. Was auch sein Kollege Ralf Horst so sah, obwohl seine Spieler nach der in der Schlussphase verbissen geführten Partie ausgelassen auf dem Rasen umhertanzten, ,,Das war noch keine Vorentscheidung, für uns nur ein guter Schritt in die richtige Richtung", relativierte Horst den Wert des Dreiers und gab zu: ,,Das war ein sehr schweres Spiel auf einem schlecht bespielbaren Platz, das wir verdient gewonnen haben."

Eine Niederlage mussten die Gastgeber schon vor der Partie verschmerzen, denn nur 310 Zuschauer wollten die Spitzenpartie im Waldstadion sehen. ,,Das ist eigentlich zu wenig, da haben wir mehr erwartet", war nicht nur Bulut enttäuscht über das Interesse der heimischen Fußballfans. Der zweite Vergleich zwischen Rhein-Main und Mittelhessen hätte mehr verdient gehabt, wenn auch nicht unbedingt die 1200 Zuschauer von tags zuvor in Watzenborn.



Aufrufe: 026.10.2015, 20:00 Uhr
Rolf Birkhölzer (Gießener Anzeiger)Autor